Ausgezeichnete Beiträge: Journalismuspreis von unten 2017 vergeben
Ausgezeichnet: Kim Kadlec, Benedict Feichtner & Alexander Steinbach, Isabell Widek, Matthias Hofer, Nadja Sarwat, Udo Seelhofer & Sandra Knopp, Juliane Nagiller, Cornelia Krebs
(19.12.2017) Gestern wurde in Wien zum achten Mal der "Journalismuspreis von unten" vergeben. Bewertet und ausgewählt wurden die Beiträge von einer Jury bestehend aus Menschen mit Armutserfahrungen. Die Armutskonferenz schreibt seit 2010 den Preis aus, der "tiefgründige und respektvolle Armutsberichterstattung" prämiert. Alle Ausgezeichneten betonten, den Preis als besondere Ehre zu empfinden, kommt er doch von Menschen, die genau wissen, was Sache ist.
In der Kategorie TV wurde Kim Kadlec für ihre ORF-Am-Schauplatz-Reportage „Millionen mit dem Wohnen“ ausgezeichnet. Die Jury würdigte „die umfassende Analyse von Hintergründen und Zusammenhängen zum fundamentalen Thema Wohnen. Der Beitrag schaut hinter die Kulissen und zeigt die Machenschaften und Interessen der Banken, Anleger und Hausbesitzer. Steigende Wohnungspreise und Mieten, die von Menschen mit wenig Einkommen und armutsgefährdeten Personen immer schwerer finanziert werden können, sind kein ‚Naturgesetz’. Kadlec ist hartnäckig, bleibt dran, begleitet Menschen und spannt dadurch auch einen wunderbaren Bogen. Der Beitrag wühlt auf und emotionalisiert.“
Der zweite Preis in der Kategorie Fernsehen ging an Benedict Feichtner und Alexander Steinbach für ihre Doku „Faktencheck Mittelmeerroute“ (ORF-Weltjournal). Besonders beeindruckend fand die Jury die „tiefgehende und eindrucksvolle Weise die Hintergründe von Flucht und Migration aus Afrika nach Europa darzustellen: die aussichtslose Situation in den Herkunftsländern, die dramatischen Bedingungen auf der Flucht und die bittere Realität, falls es die Menschen überhaupt bis Europa schaffen. Für die aufwändige Dokumentation haben Feichtner und Steinbach viele Länder besucht und direkt mit den Menschen vor Ort gesprochen. Der Beitrag macht verständlich, warum Menschen den Weg von Afrika nach Europa wagen und warum für viele eine spätere Rückkehr ausgeschlossen ist. Es wird deutlich, dass die einzige Lösung ein wirtschaftlich und politisch stabiles Afrika ist.“
Den Hauptpreis in der Kategorie Print erhielt Isabell Widek für ihr „Dossier Arbeit“ im Magazin NEWS. Aus der Begründung der Jury: „Isabell Widek gelingt eine umfassende und kritische Aufarbeitung der Problematik rund um Arbeitsverlust, Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche. Der Beitrag ist ausführlich, sachlich, informativ und beleuchtet das Thema von allen Seiten. Der Beitrag vermittelt eindrücklich, dass das Problem allgegenwärtig ist und dass Arbeitslosigkeit jeden treffen kann. Isabell Widek porträtiert auf respektvolle Weise Betroffene mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebensrealitäten.“
Matthias Hofer erhielt den zweiten Preis für mehrere Artikel rund um die Kürzungen bei der Mindestsicherung bei Pflegebedürftigen im Kurier. „Der Autor belässt es nicht bei einzelnen Artikeln, sondern berichtet wiederkehrend über den Verlauf und Entwicklungen. Die Beiträge sind journalistisch gut gemacht, wühlen auf, sprechen Emotionen an und sind auf den Chronik-Seiten des Kurier am passenden Platz, um viele Menschen zu erreichen und Interesse zu wecken; sie sind gleichzeitig anschaulich, sachlich, gut recherchiert, einfühlsam aber nicht emotional überladen. Matthias Hofer gibt mit diesen Artikeln Menschen in bedrängten Lebenslagen eine Stimme.“
In der Kategorie Online erhielt Nadja Sarwat die Auszeichnung für ihren orf.at-Beitrag „Alleinerziehende in der Armutsfalle“. Aus der Begründung der Jury: „Nadja Sarwat greift die Problematik rund um Kindesunterhalt auf, noch bevor dieser im Wahlkampf zu einem ,echten` politischen Thema wurde. Der Online-Artikel zeichnet sich vor allem durch die gelungene Mischung von Zahlen und Fakten mit den konkreten Lebensrealitäten von Betroffenen aus.“
Der zweite Platz ging an Udo Seelhofer und Sandra Knopp und ihren Beitrag „Im Schatten der Armut“, erschienen am Blog www.arbeit-wirtschaft.at. „Es wird deutlich herausgearbeitet, dass die steigenden Preise für Mieten die Gefährdung wohnungslos zu werden erhöhen. Und dass es dadurch für wohnungslose Menschen immer schwieriger wird, wieder eine leistbare Wohnung zu finden. Der Beitrag gibt Einblick in viele Initiativen und Einrichtungen, die Menschen Mut machen und unterstützen. Dadurch bleibt trotz der dramatischen Situation doch auch ein positiver Ausblick“, so die Jury.
In der Kategorie Radio wurde Juliane Nagiller für ihre Sendung "Working poor" (Ö1 Radiokolleg) ausgezeichnet. Die Jury würdigte die 4-teilige Sendung „als sehr informativ gestaltet und reich an Fakten. In hoher journalistischer Qualität und mit einem guten Spannungsbogen über die Teile bearbeitet sie das Thema „Working poor“ und die zugrunde liegenden Veränderungen am Arbeitsmarkt in allen Facetten. Neben ExpertInnen von Profession kommen auch ExpertInnen aus Erfahrung (Betroffene) ausführlich zu Wort. Hier wird besonders auf Frauen eingegangen, die durch Teilzeitarbeit stärker von ‚Armut trotz Arbeit’ betroffen sind, und etwa ausführlich die Situation einer alleinerziehenden Mutter dargestellt.
Cornelia Krebs erhielt den zweiten Preis für ihr Ö1-Journal-Panorama zum Thema Altersarmut. „Cornelia Krebs beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit einem ganz wichtigen Thema, welches in letzter Zeit und in Zukunft immer präsenter wird und unter die Haut geht. Gründe und Folgen von Altersarmut werden von verschiedenen Seiten beleuchtet, neben ProfessionistInnen kommen Betroffene ausführlich zu Wort. Es wird deutlich, dass man durch gesundheitliche Einschränkungen oder atypische Beschäftigungsverhältnisse sehr schnell in die Falle Altersarmut rutschen kann. Der Bericht berührt und macht betroffen, zeigt aber auch konkrete Lösungsansätze auf“, so die Jury.
Weiters auf der Shortlist des Journalismuspreis „von unten“ und lobend erwähnt: Zoran Dobric (ORF Orientierung), Gerlinde Pölsler (Falter), Max Hartmann (meins.orf.at), Yvonne Widler (Kurier) und Tanja Malle (Ö1)
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