Sieben Punkte zur Reform der Mindestsicherung
Mehr Prävention, weniger Bundesländer Wirrwar, klügere Finanzierung, Reform bei Behinderung, Unterhalt neu, Sonderbedarfe fehlen
(17.12.2015) Es gibt eine Reihe von Problemen in der Mindestsicherung, die sich nicht nach den Kampagnen der Parteibüros richten. Die Armutskonferenz, das österreichweite Netzwerk aus 41 sozialen, wissenschaftlichen und Selbsthilfe Organisationen, ortet Reformbedarf in mindestens sieben Punkten:
1. Die Mindestsicherung ist überlastet
Erwerbsarbeit und Versicherungsleistungen können Einkommensarmut zunehmend weniger verhindern. Die Bezieherzahlen steigen nicht erst seit Einführung der Mindestsicherung, bereits in der alten Sozialhilfe seit Mitte der 2000er Jahre haben sich die Betroffenenzahlen stark erhöht. Es genügt also nicht, über die Mindestsicherung allein zu sprechen - die Vermeidung von Einkommensarmut wäre zentrale Aufgabe. "Die Mindestsicherung kann in Zukunft nicht der Staubsauger für alle strukturellen Probleme sein, die in der Mitte der Gesellschaft angelegt sind: Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, prekäre Jobs, mangelnde soziale Aufstiegschancen im Bildungssystem.", macht die Armutskonferenz aufmerksam. Besser ist es präventiv zu verhindern, dass Leute in die Mindestsicherung fallen.
2. Vereinheitlichung - weniger Bundesländer Wirr-War
Sachlich ist nicht zu rechtfertigen, dass es neun verschiedene gesetzliche Regelungen gibt mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten.
3. Die Finanzierung ist mehr als problematisch
Als Landesleistung fallen die Ausgaben in die Gemeinden, Städte bzw. Sozialhilfeverbände. Dieses "Heimatprinzip" hat seine Ursprünge noch im Armenwesen des 19. Jahrhunderts. Das führt zur Überforderung: Arme Gemeinden haben viele Anspruchsberechtigte und damit hohe Kosten, reichere Gemeinden haben wenige Mindestsicherungsbezieher und keine Ausgaben. Das macht es auch attraktiv, Anspruchsberechtigte nach dem Floriani-Prinzip loswerden zu wollen - in die nächste Stadt oder überhaupt ein anderes Bundesland. Die Armutskonferenz schlägt hierzu ein "Zweckzuschuss-Gesetz" vor: also ein Gesetz, dass die Länder und Gemeinden verpflichtet, das Geld, das sie im Rahmen des Finanzausgleichs erhalten, auch tatsächlich für diesen Zweck auszugeben. Das würde dem Bund auch wirksamere Sanktionsmöglichkeiten einräumen als jetzt zur Verfügung stehen, um den Bruch der 15a-Vereinbarung zu ahnden.
4. Reform bei Menschen mit erheblicher Behinderung
Was in der Diskussion oft untergeht: In den meisten Bundesländern kommt der Mindestsicherung auch die Rolle zu, ein finanzielles Existenzminimum für Menschen mit so genannter erheblicher Behinderung, wenn sie in Privathaushalten leben, sicherzustellen. Auf deren besondere Bedürfnisse - wie z.B. ein gegenüber anderen Personen erhöhter Regelbedarf - hat die Mindestsicherung derzeit keine Antwort. Und es kommt zu großen sozialen Härten, wenn Menschen von Familienangehörigen gepflegt werden, weil das Pflegegeld zwar nicht den Personen mit Beeinträchtigung angerechnet werden darf, - nach Abzug nachweisbarer Zukäufe im Zusammenhang mit dem Pflegebedarf sehr wohl aber der Person, die sie pflegt und deshalb nicht erwerbstätig ist. Wir können noch nicht einmal sagen, wie viele Personen das betrifft, werden Menschen mit Behinderungen in der Statistik bei den Kindern mitgezählt.
5. Es braucht Leistungen mit Rechtsanspruch
Das wären Sonderbedarf – Kosten für Bedarfe, die nicht als Kosten des täglichen Lebens gewertet werden können. Stichwörter sind: Geburt eines Kindes, Reparaturen, Kautionen für Wohnungsanmietungen, etc.
6. Neu-Regelung bei Unterhaltspflichten
Zeitgemäße Definition der "vorrangigen Leistungen Dritter": Unterhaltsverpflichtungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern bzw. sogar zwischen Enkeln und ihren Großeltern. Die derzeitigen Regelungen sind mit einem modernen Sozialstaatsverständnis nicht zu vereinbaren.
7. Kürzere Fristen
Die Verkürzung der max. Entscheidungsfrist von 6 auf 3 Monate war ein Erfolg. Aber sie ist noch immer zu lang.