BMS NÖ: Brief aus dem Büro von LR Schwarz
Das Büro von Landesrätin Mag.a Barbara Schwarz reagiert auf Proteste engagierter BürgerInnen gegen die drastischen Einschnitte im NÖ Mindestsicherungs-Recht mit einem mehr als hinterfragungswürdigen Brief
Sehr geehrte Damen und Herren!
Betreffend Ihr Schreiben vom 4. November 2016 dürfen wir zunächst für Ihr Engagement in dieser Sache danken. Bezüglich der Argumente ist es notwendig, ein wenig in die Tiefe zu gehen. In der Öffentlichkeit und auch in der öffentlichen Berichterstattung wird diese Frage häufig sehr oberflächlich und teilweise völlig falsch behandelt.
Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung war seit Beginn an die Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung sowie anderer Notlagen bei Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist dabei nicht als bedingungsloses Grundeinkommen konzipiert, sondern dient der Deckung des notwendigen Lebens- und Wohnbedarfes von Menschen, welchen es nicht möglich ist, diese Bedürfnisse durch den Einsatz ihrer eigenen Kräfte (Einsatz der Arbeitskraft, Einsatz von Einkommen und Vermögen) oder aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen oder sonstigen vorrangigen Leistungsanspruches ausreichend sicherzustellen.
Dabei war die Mindestsicherung immer als kurzfristige Absicherung gedacht und soll somit ein Sicherheitsnetz bilden, das als Sprungbrett zurück in den Job und nicht als Hängematte gesehen wird. Umso wichtiger ist es, diese Unterstützungsmöglichkeit auch in Zukunft abzusichern.
Die Ausgaben für die bedarfsorientierte Mindestsicherung sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Allein in Niederösterreich haben sich die Ausgaben von 47 Mio. Euro im Jahr 2013 auf voraussichtlich 85 Mio. Euro im Jahr 2016 fast verdoppelt.
Die vom NÖ Landtag beschlossene Änderung sieht eine Begrenzung der Mindestsicherung in Höhe von 1.500,- Euro vor. Interessant sind hier vor allem die Haushaltskonstellationen, denn nur in einer Kombination aus mehreren Personen ist überhaupt ein Erreichen dieser Obergrenze möglich.
Der Einwand, dass von der Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung vor allem Kinder betroffen wären, berücksichtigt nicht, dass aufgrund der gesetzlichen Lage zusätzlich zu den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung weitere Transferleistungen bezogen werden können, ohne dass diese bei der Bemessung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung berücksichtigt werden. In einzelnen Fällen bedeutet dies, dass eine Familie durch den Bezug von Transferleistungen – zu denken ist hierbei vor allem an die Familienbeihilfe – über ein effektives tatsächliches Haushaltseinkommen in Höhe von 3.000,- bis zu 5.000,- Euro pro Monat verfügen. Dies stellt ein „Einkommen“ dar, welches selbst bei Erwerbstätigkeit von vielen Familien nicht erreicht werden kann.
In dieser Diskussion ist die vorrangig die klassische Familienform zu betrachten: Eine Familie mit 2 Kindern würde unter die neue Bestimmung fallen und ihre Leistung würde nur um 58 Euro gekürzt werden. Dieser Haushalt bekommt aber zusätzlich Familienbeihilfen von etwa 380 Euro (in Abhängigkeit vom Alter der Kinder) und kommt somit auf ein verfügbares Einkommen von etwa 1.880 Euro.
Beispielsweise würde auch eine alleinerziehende Mutter erst mit 5 (!) Kindern unter die neue Bestimmung fallen und ihre Leistung würde in diesem seltenen Fall um lediglich 41,- Euro gekürzt werden. Allerdings erhält diese Familie noch Beihilfen von etwa 1.050,- Euro (in Abhängigkeit vom Alter der Kinder) und kommt somit auf ein verfügbares Einkommen von über 2.500,- Euro.
Aus Sicht der Menschen, die arbeiten gehen und diese Leistungen finanzieren, ist das vertretbar. Nicht übersehen werden darf auch, dass bei Haushalten mit mehreren Personen nachweislich die Kosten zur Lebensführung aufgrund von Synergieeffekten geringer sind als bei Einzelpersonenhaushalten.
Der Hinweis, dass Menschen ihre Existenz mit dem verminderten Mindeststandard nicht mehr decken könnten, kann nicht nachvollzogen werden. Ein Vergleich zeigt, dass nach der Grundversorgung eine erwachsene Person bei individueller Unterbringung 150,- Euro zur Deckung des Wohnbedarfs und 215,- Euro zur Deckung des Lebensunterhalts erhält. Diese Beträge richten sich nach Artikel 9 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG) und gelten somit österreichweit. Der im Gesetzesbeschluss festgelegte Mindeststandard – Integration für volljährige Personen von 150,- Euro zur Deckung des Wohnbedarfs und von € 422,50 zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts liegt somit deutlich über den Beträgen, die nach der Grundversorgung zu gewähren sind. Eine wie von Ihnen befürchtete Existenzgefährdung kann daher nicht erkannt werden.
Die Frage der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Friedens ist nicht nur aus Sicht der Bezieher von staatlichen Leistungen zu beurteilen, sondern auch und vor allem aus Sicht jener, die diese Leistungen finanzieren. Wir sehen dafür im Sinne aller Bürger eine Begrenzung der Mindestsicherung für unumgänglich. Zentral ist für uns außerdem, dass wir jene, die in unserem Land soziale Hilfe und Unterstützung benötigen, auch selbstverständlich absichern. Wir haben bei der Begrenzung der Leistung aus der Mindestsicherung klare Ausnahmen für Personen mit Pflegegeld-, erhöhten Familienbeihilfebezug oder mit dauernder Arbeitsunfähigkeit geschaffen, somit sind insbesondere Menschen mit Behinderungen von der Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausgenommen.
Die Frage der Krankenversicherung kann aller Voraussicht nach durch die geplante Fortführung der bisherigen Regelung zufriedenstellend gelöst werden und damit eine erneut drohende Stigmatisierung abgewendet werden.
Bezüglich der Verhandlungen möchte ich festhalten, dass wir seitens der ÖVP nach wie vor für konstruktive Gespräche im Zusammenhang mit einer bundesweit einheitlichen Regelung der Mindestsicherung zur Verfügung stehen.
Für arbeitsfähige Bezieher darf die Mindestsicherung aber keineswegs als Alternative zum Erwerbsleben gesehen werden. Vielmehr ist es anhand der medial dargestellten Beispiele klar ersichtlich, dass der Abstand zwischen Erwerbstätigkeit und Sozialhilfeleistungen neu überdacht werden muss, da zusätzlich zur Leistung aus der Mindestsicherung auch sonstige staatliche Transferleistungen und sonstige Gebührenbefreiungen beim Gesamthaushaltseinkommen der Bezieher berücksichtigt werden müssen. Arbeit muss sich in unserem Land auch lohnen, Menschen die kurzfristig Hilfe brauchen müssen diese auch erhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Büro Landesrätin Mag. Barbara Schwarz