Missstände nehmen zu: Kinder in desolaten und feuchten Wohnungen
Armutskonferenz macht auf Missstände im Wohnbereich aufmerksam und zeigt Folgen der Mindestsicherungskürzungen auf
(30.06.2017) "Wenn`s einen Mietvertrag wollen, dann müssen`s gehen“. Prekäres Wohnen in feuchten und desolaten Behausungen, für viele ist dies traurige Realität, denn: Wohnraum zu finden, der leistbar ist, das ist für sie schwer oder nicht möglich. Tatsächlich ist Wohnen massiv teurer geworden und macht einen immer größeren Anteil am monatlichen Haushaltsbudgets aus.
6% der Bevölkerung in Österreich klagen über dunkle Räume, 11% der Bevölkerung leben in feuchten, oft auch schimmligen Wohnungen. 7% in Überbelag - davon sind untere Einkommen stärker betroffen. Besonders betroffen sind Menschen, denen eine Leistung aus der Mindestsicherung zusteht: denn durch die Deckelungskürzung der Mindestsicherung hat sich die bereits vorher für viele prekäre Situation noch verschärft. Die Konsequenzen: Menschen leben in Häusern oder Wohnungen die von Schimmel, baulichen Mängeln betroffen sind, haben keinen oder keinen adäquaten Mietvertrag und sind der Willkür der Vermieter ausgeliefert. Darunter viele Familien mit Kindern. Eine unsichere Wohnsituation bedeutet für sie: kein sicheres zuhause haben, Angst davor die Nachbarn, die Schulfreunde zu verlieren, Unsicherheit erleben in einer Lebensphase, in der Geborgenheit und Stabilität besonders wichtig sind.
„Von den brennenden Themen ist das derzeit heißeste: das Wohnen“, erinnert die Armutskonferenz an die Ergebnisse der gemeinsamen Studie mit der Wirtschaftsuniversität Wien. „Die Mietpreise sind in den letzten Jahren derart in die Höhe geschossen, dass armutsbetroffene Personen kaum noch leistbaren Wohnraum finden“, berichten die Studienautorinnen vom Institut für Sozialpolitik der WU Wien. Als Folge sind prekäre Wohnverhältnisse und versteckte Wohnungslosigkeit angestiegen: Manche Armutsbetroffene leben in Räumen ohne Fenster, ohne Strom, ohne Wasser. Andere teilen sich eine kleine Wohnung, was zu krassen Überbelegungen führt, und wieder andere „wandern“ von hilfsbereiten Bekannten zu Bekannten, um nicht auf der Straße schlafen zu müssen.
Delogierungsprävention, sozialer Wohnbau, Orientierung an tatsächlichen Wohnkosten
Die Armutskonferenz fordert daher:
- Sozialer Wohnbau: Investitionen in leistbare Wohnungen
Es braucht einen ausreichenden Neubau leistbarer, bedarfsgerechter Wohnungen und eigenmittelfreien Zugang zu erschwinglichem Wohnraum, denn für von Armut betroffene Menschen sind oft schon geringe Baukostenzuschüsse nicht leistbar.
- Berücksichtigung tatsächlicher Wohnkosten
Eine Mindestsicherung, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert. Der Wohnanteil der Mindestsicherung soll sich nach den ortsüblichen Wohnkosten richten.
- Delogierungsprävention und Ausbau der Notquartiere
Um Wohnungslosigkeit zu verhindern, braucht es eine flächendeckende Delogierungsprävention und einen Ausbau der Sozialarbeit durch qualifizierte MitarbeiterInnen in diesem Bereich. Es braucht einen Ausbau der Notquartiere, vor allem für Familien und Notquartiere, die untertags geöffnet sind.
Beispiel Prekäre Wohnsituation: „Wenn`s einen Mietvertrag wollen müssen`s gehen“
Frau S. besucht eine Kursmaßnahme des AMS, bewohnt als Untermieterin (1 Zimmer) in einem Einfamilienhaus unweit von St. Pölten. Sie zahlt der Vermieterin monatlich 200 Euro bar auf die Hand, einen Mietvertrag hat sie nicht, eine Bestätigung für die monatliche Zahlung der 200 Euro bekommt sie auch nicht. Als sie die Vermieterin um die Ausstellung eines Mietvertrags bittet sagt diese, dass wolle sie nicht, weil dann müsste sie (die Vermieterin) die Mieteinnahmen ja versteuern, sie bekomme keinen Mietvertrag, sie könne ja ausziehen wenn ihr das nicht passe. Da Frau S. bewusst ist, dass sie um 200 Euro keine Mietwohnung finden kann, bleibt sie weiterhin in dieser prekären Wohnsituation.
Das Kursgeld, das Frau S. vom AMS bezieht ist so niedrig, dass Sie eigentlich Anspruch auf eine Ergänzungsleistung im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hätte, hätte deshalb, weil für den Bezug der Mindestsicherung in der vollen Höhe Wohnkosten nachgewiesen werden müssen (z. B. in Form eines Mietvertrags bzw. in Form von regelmäßigen Überweisungen der Miete), da Fr. S. diese Wohnkosten nicht nachweisen kann, bekommt sie auch keine Mindestsicherung.
Beispiele : Desolate Wohnung- akute Gefährdung für Kinder
- Frau M. hat ua. ein Haus an eine Familie mit fünf kleinen Kindern vermietet, vorige Woche war die Gemeinde samt Bürgermeister und Sachverständigen dort, das Haus ist Abriss gefährdet und sollte sofort geräumt werden.
- Immobilienbüro vermietet einer Familie mit Kindern eine Wohnung in derart desolatem Zustand, dass es zu akuten Gefährdungssituationen für die Kinder kommt: beispielsweise ist das Thermostat der Heizung nicht regulierbar, das Wasser schießt mit 100 Grad ein, eines der Kinder der Familie M. zieht sich im Frühjahr 2016 derart massive Verbrennungen zu, dass eine Hauttransplantation notwendig ist. Im September 2016 fällt aufgrund des desolaten Zustands eine Holzdecke herunter. Nur durch einen glücklichen Zufall ist zu diesem Zeitpunkt keines der Kinder in der Wohnung.
- Einer Familie wurde eine Wohnung vermietet, die nicht richtig beheizbar war. Ein kleiner Ofen mitten in einem Raum - sonst keine Heizung in der Wohnung -, um diesen schliefen vier Personen, dies bei bis zu minus 20 Grad im Winter. Wohnung verschimmelt und sämtliche Familienmitglieder ständig krank. Vertrag war beim Finanzamt nicht vergebührt. Der Vermieter forderte (bar auf die Hand) Betriebskosten nach ohne entsprechenden Nachweis und ohne Beleg für Bezahlung auszugeben, diese wurden auch bezahlt, weil die Familie Angst hatte im Winter auf der Straße zu sitzen. Hilfsorganisationen konnten in diesem Fall eine andere Wohnungsmöglichkeit für die Familie organisieren.