Sozialausgaben in Vorarlberg erneut gesunken

Vorarlberger Armutskonferenz fordert deutliche Ausweitung der Wohnbeihilfe statt Kapitalaufstockung bei der Hypo-Bank mit Geldern aus der Wohnbauförderung

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(20.06.2017) Die Vorarlberger Armutskonferenz hat den Rechnungsabschluss 2016 der Landesregierung eingehend analysiert und mit den Zahlen der Vorjahre verglichen. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Aussage der Landesregierung in ihrer Pressevorlage vom 06.06.17 zum Rechnungsabschluss 2016 falsch ist, die Ausgaben „im Sozialen (inkl. Wohnbauförderung)“ gehörten zu „jenen Bereichen, die die höchste Ausgabendynamik zu verzeichnen haben" (S. 3).

Ausgaben für Soziales (inkl. Wohnbauförderung) 2016 auf dem Stand von 2009

Bei den Ausgaben für „Soziales (inkl. Wohnbauförderung)“ wurde 2016 nicht nur der Haushaltsvoranschlag um 16,5 Mio. Euro unterschritten. Sie lagen zudem 7,5 Mio. Euro unter den Ausgaben des Vorjahres. Das ist auch kein Ausnahmefall. In den Jahren seit 2007 gab es lediglich 5 Jahre, in denen die Ausgaben dieses Budgetpostens nicht gesunken sind: im Jahr 2015, in dem die starke Flüchtlingszuwanderung zu verzeichnen war, und in den Jahren 2009 bis 2012, in denen die Landesregierung als Gegenmaßnahme gegen die wirtschaftlichen Folgen des Finanzcrashs 2008 ein Konjunkturprogramm auflegte und mit Geldern aus der Wohnbauförderung unter Aufhebung sämtlicher Einkommensgrenzen Wohnhaussanierungen förderte. „Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden“, kommentiert der Sprecher der Vorarlberger Armutskonferenz Michael Diettrich. „Aber wenn man schon von der Dynamik der Sozialausgaben spricht, sollte man seriöser Weise auch darauf hinweisen, dass die größte im letzten Jahrzehnt festzustellende Dynamik aus einer Wirtschaftsförderung resultiert.“

Fakt sei, so Diettrich, dass die Sozialausgaben des Jahres 2016 inflationsbereinigt exakt auf dem gleichen Niveau waren wie 2009 und sogar leicht unter dem von 2006 (siehe Tabelle unten). Als völligen Unsinn bezeichnet der Sprecher der Armutskonferenz auch die ständig wiederkehrende Behauptung, die Ausgaben im „Sozialen (inkl. Wohnbauförderung)“ nähmen einen stetig wachsenden Anteil am Gesamtbudget des Landes ein. In den letzten drei Jahren lag dieser Anteil so niedrig wie selten seit 1998. Nur im Jahr 2008 war er noch niedriger.

Ausgabenumschichtungen: Zuwachs in der Sozialen Wohlfahrt, aber Wohnbauförderung sinkt…

Dabei sind die teils starken Zuwächse im Teilbereich Soziale Wohlfahrt (2016: 191 Mio. Euro), im Sozialfonds (einschl. Gemeinde- und Bundesanteil 2016: 350,4 Mio. Euro) und der Mindestsicherung (2016: 38,5 Mio. Euro) nicht von der Hand zu weisen. Allerdings sind das keine Erscheinungen der letzten Jahre und auch teilweise der Flüchtlingszuwanderung zuzuschreiben. In der Gesamtschau zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang mit der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung nach der Finanzkrise.

Ausgeglichen wurden diese Steigerungen allerdings durch Einsparungen bei der Wohnbauförderung: 2016 lagen die Ausgaben des Landes für Wohnbauförderung (132,2 Mio.Euro) in etwa auf dem gleichen Niveau wie 2003 – ohne Berücksichtigung der Inflation! „Hier hat es eindeutig budgetäre Umschichtungen gegeben, die mit einer fatalen Vernachlässigung der Wohnbauförderung einhergingen. Man kann an diesen Zahlen die falsche Schwerpunktsetzung in der Wohnbaupolitik ablesen – insbesondere die Vernachlässigung des gemeinnützigen, leistbaren Wohnbaus“, kommentiert Diettrich. Das Resultat sind die um sich greifende Wohnungsnot, die für Menschen mit geringem Einkommen nicht mehr bezahlbaren Mieten und teilweise auch die gestiegenen Ausgaben im Bereich der Sozialen Wohlfahrt: So führten die hohen Mieten direkt zu Kostensteigerungen beim Wohnbedarf in der Mindestsicherung.

Im Gegensatz dazu weist die Wohnbeihilfe als Unterstützungsleistung für Menschen mit niedrigem (eigenen) Einkommen seit 2010 überraschend wenig Zuwachs auf. Das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) interpretiert diese Entwicklung so: Man könne davon ausgehen, dass mittlerweile eine ganze Reihe ehemaliger WohnbeihilfebezieherInnen in der Mindestsicherung gelandet sind und kostenmäßig in der Sozialen Wohlfahrt zu Buche schlagen.2 „Dies würde bedeuten, dass die Wohnbeihilfe ihre armutspräventive Funktion nicht mehr erfüllt,“ ergänzt Diettrich.

… Einnahmeüberschuss der Wohnbauförderung steigt

Nicht nachzuvollziehen ist diese Politik der Vorarlberger Landesregierung vor dem Hintergrund, dass der Posten Wohnbauförderung im Landeshaushalt seit Jahren mehr Einnahmen als Ausgaben aufweist. 2015 betrug der Überschuss knapp 37 Mio., 2016 sogar gut 44 Mio. Euro. Das ist jedoch nicht alles: Der Budgetposten Wohnbauförderung im Landeshaushalt finanziert sich seit dem Wegfall der Zweckbindung der Wohnbaufördermittel des Bundes (Wohnbauförderungsabgabe auf die Erwerbseinkommen) ausschließlich aus zurückfließenden Förderdarlehen. Die nicht mehr zweckgebundenen Bundesmittel in Höhe von 30 bis 35 Mi. Euro werden hingegen an anderer Stelle im Landesbudget als Ertragsanteile verbucht und nicht mehr der Wohnbauförderung zugerechnet. Das ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden, aber de facto bedeutet das, dass das Land im Wohnbau 2016 75 bis 80 Mio. Euro mehr eingenommen als ausgegeben hat – mehr als Wohnbeihilfe und Mindestsicherung zusammen gekostet haben (2016: 68 Mio. Euro)! Der Armutskonferenz ist bekannt, dass es weitere rund 40 Mio. Euro ursprünglich zweckgebundener Mittel gibt, die sie allerdings nicht definitiv zuordnen kann. Das würde bedeuten, dass 2016 ein Einnahmeüberschuss des Landes im Bereich des Wohnbaus von weit über 100 Mio. Euro bestanden hätte, der nicht in die Wohnbauförderung zurückgeflossen ist!

Vor diesem Hintergrund hält es die Vorarlberger Armutskonferenz für einen Skandal, dass nun aus Mitteln der Wohnbauförderung die Kapitalaufstockung der Hypo-Bank Vorarlberg in Höhe von 100 Mio. Euro finanziert werden soll. „Wir verlangen stattdessen eine Kapitalaufstockung für Haushalte mit niedrigem Einkommen“, fordert der Sprecher der Armutskonferenz und ergänzt: „Wenn die Landesregierung schon bei der Schaffung leistbaren Wohnraumes versagt hat, ist eine deutliche Erhöhung der Wohnbeihilfe das Mindeste, was man erwarten kann. Damit würden Menschen mit niedrigem Einkommen so lange entlastet, bis genügend leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Das Geld dafür ist da. Dem Gerede davon, dass man für die Menschen da sein will, die morgens früh aufstehen und arbeiten, müssen endlich Taten folgen. Von einem größeren Abstand zwischen Mindestsicherung und Niedriglöhnen, der durch Kürzungen der Mindestsicherung hergestellt wird, haben diese Menschen überhaupt nichts!“ Die Armutskonferenz wird angesichts der Tatenlosigkeit der Landesregierung in Kürze ein eigenes Modell zur Wohnbeihilfe vorlegen.