Mehr Geschlechtergerechtigkeit durch Umverteilung von Vermögen

Ergebnisse des Studientags der AG Frauen und Armut 2023

(13.06.2023) Am 25. Mai veranstaltete die AG Frauen und Armut der Armutskonferenz in Kooperation mit der AK Wien einen Studientag zum Thema Vermögensverteilung und Geschlecht. Nach Keynotes von Alyssa Schneebaum, WU, und Barbara Blaha, Momentum Institut, konnten die Teilnehmer*innen zwei von insgesamt vier angebotenen Workshops wählen. In Workshops der Lebenshilfe, dem Frauenberatungszentrum „Frauen* beraten Frauen*“, der Schuldnerberatung und der AK Wien wurden Themen und Diskussionspunkte aus den Vorträgen vertieft und aus der Perspektive verschiedener Felder beleuchtet.


Vermögensunterschiede zwischen Männer und Frauen

In ihrem Eingangsreferat präsentierte Alyssa Schneebaum Studien und Daten zu Geschlecht und Vermögen in Österreich. Während bereits zahlreiche Forschungsergebnisse zur Lohnschere zwischen den Geschlechtern vorliegen, sind Vermögensunterschiede zwischen Männern und Frauen noch wenig erforscht. Das liegt vor allem an der fehlenden Verfügbarkeit von aussagekräftigen Daten. Bis vor wenigen Jahren wurden Vermögensdaten nur auf Haushaltsebene erfasst, was einen Vergleich zwischen Männern und Frauen schwierig macht. Durch die Einbeziehung von Single-Haushalten in die Analysen konnte dennoch festgestellt werden, dass Frauen geringere Vermögenswerte besitzen als Männer. Während weibliche Single-Haushalte im Durchschnitt etwa 110.000€ besitzen, sind es bei männlichen Single-Haushalten 194.000€. Mithilfe neuer Erhebungen konnte im Jahr 2017 die Vermögensverteilung in Österreich erstmals auf Personenebene untersucht werden. Analog zu internationalen Studien zeigte auch diese Untersuchung, dass Frauen in Österreich im Durchschnitt über weniger Vermögen verfügen als Männer. Der sogenannte Gender Wealth Gap in österreichischen Paarhaushalten beträgt 28 % (58.417€). Dabei finden sich die größten Unterschiede zwischen Männern und Frauen in den obersten % der Vermögensverteilung. Die Analysen zeigen: je größer die Vermögen, desto größer ist auch die Vermögenslücke zwischen den Geschlechtern.

Präsentation Alyssa Schneebaum


Mehr Verteilungsgerechtigkeit durch Umverteilung von oben nach unten

Ursächlich dafür ist unter anderem, dass mit steigendem Einkommen auch die Risikobereitschaft für Investitionen steigt, wie Barbara Blaha in ihrer Keynote erläutert. Aufgrund der hohen Gebühren für bestimmte Finanzprodukte können Frauen im Durchschnitt nur halb so viel anlegen wie Männer, wodurch die Vermögenslücke vergrößert wird. Nach Finanzgeschäften sind Immobilienbesitz und Unternehmenseigentum zwei weitere relevante Gründe für Reichtum. Auch hier sind es weitaus mehr Männer als Frauen, die - meist durch Erben - in den Besitz von Immobilien oder Unternehmen kommen. Erbschaft und Schenkung ist mit 67 % der wichtigste Grund für Reichtum in Österreich. Während im reichsten Zehntel der Bevölkerung sieben von zehn Haushalten geerbt haben, sind es im ärmsten nur etwa einer von zehn. Vermögen sind in Österreich enorm ungleich verteilt: während die reichsten 10 % der Haushalte über 56 % des Gesamtvermögens besitzen, hat die untere Hälfte der Bevölkerung nur 4 % des gesamten Besitzes. Ziel muss es also sein, Eigentum nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern vor allem von oben nach unten umzuverteilen, um somit gesamtgesellschaftlich für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen. Eine zentrale Maßnahme dafür wäre es, die Steuern auf Unternehmensgewinne und Vermögenszuwachs zu erhöhen, sowie Erbschaften und Vermögen endlich stärker zu besteuern. Ein Mehr an öffentlichem, anstelle von privatem Vermögen, würde es ermöglichen, öffentliche Infrastruktur auszubauen und den Sozialstaat zu stärken – und davon würden vor allem Frauen profitieren.

Präsentation Barbara Blaha


Workshops

Armutsrisiken für pflegende Angehörige

Im Workshop mit Christina Holmes von der Lebenshilfe Österreich wurden unter anderem Armutsrisiken für pflegende Angehörige diskutiert. Die Teilnehmer*innen berichteten über eigene Erfahrungen mit der Pflege von Angehörigen und die Herausforderungen und Belastungen, die damit verbunden sind. Auf Kärtchen wurden soziale bzw. gesellschaftliche, rechtliche und finanzielle Ansätze gesammelt, die notwendig wären, um die Situation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Ein zentraler Punkt dabei war, dass Angehörige finanziell und rechtlich besser abgesichert werden müssen. Auch der Zugang zu Supervision und Unterstützung müsste verbessert werden. Gleichzeitig sollte eine bessere öffentliche Pflege-Infrastruktur geschaffen werden, damit nicht so viele Menschen in die Situation kommen, ihre Angehörigen selbst pflegen zu müssen.

Workshop Flipchartfoto1, Flipchartfoto2

Machtungleichgewichte durch ungleiche Aufteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit

Parallel gab Bettina Zehetner in ihrem Workshop zu Geld, Geschlecht und Gewalt Einblicke in die Arbeit der Frauenberatungsstelle „Frauen* beraten Frauen*“. Konflikte und gewalttätige Eskalationen werden maßgeblich durch Machtungleichgewichte in Partnerschaften gefördert. Diese entstehen wiederum durch die ungleiche Aufteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit, wodurch viele Frauen in finanzielle Abhängigkeit von ihrem Partner kommen. Eine Gesellschaft ohne geschlechtsspezifische Gewalt setzt reale gesellschaftliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern voraus. Dafür ist eine gerechtere Verteilung von Ressourcen, Vermögen, gesellschaftlichen Machtpositionen sowie bezahlter und unbezahlter Arbeit und Care-Arbeit vonnöten.

Präsentation Bettina Zehetner

Existenzminimum erhöhen

Im zweiten Workshop-Block präsentierte Gudrun Steinmann von der Schuldnerberatung Wien Zahlen und Fakten zum Thema Schulden und Finanzbildung in Österreich. Schulden sind eine große psychische Belastung für die Betroffenen, weshalb der Bedarf an Beratung und Unterstützung groß ist: aktuell verzeichnet die Schuldnerberatung in Wien jeden Monat etwa 700 Neuanmeldungen. Etwa 60 % davon sind Männer. Der größte Grund für Schulden ist eine Einkommensreduktion, beispielsweise aufgrund von Arbeitslosigkeit. Doch auch fehlende Finanzbildung kann zu Verschuldung führen. Hier setzt die Schuldnerberatung an und leistet mittels Beratung oder Workshops, beispielsweise an Schulen, wichtige Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit. Um die Armutsgefährdung von verschuldeten Personen zu reduzieren, müsste das Existenzminimum erhöht, und somit die Referenzbudgets angepasst werden.

Präsentation Gudrun Steinmann

Bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für die Aufteilung von Familien- und Sorgearbeit

Währenddessen gab Vera Glassner von der AK Wien einen Überblick über historische und aktuelle Entwicklungen der österreichischen Gleichstellungspolitik. Ziele der „ersten“ und „zweiten“ Frauenbewegung sowie wichtige Frauenrechte in Österreich wurden diskutiert. Deutlich wurden dabei fortschrittliche, aber auch rückschrittliche Entwicklungen. So ist beispielsweise der Männeranteil in der Karenzzeit (nach einem kontinuierlichen Anstieg seit Mitte der 2000er-Jahre) in den letzten Jahren gesunken. Gleichzeitig haben Frauen enorme Einkommenseinbußen durch die Kinderbetreuungszeiten: 10 Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes verdienen Mütter in Österreich im Schnitt um 51 % weniger, als davor. In Dänemark sind es im Vergleich dazu nur 21 %. Um mehr Gleichberechtigung bei der Aufteilung von Familien- und Sorgearbeit zu erzielen, braucht es daher bessere, gesetzliche Rahmenbedingungen.

Präsentation Vera Glassner