Kürzung Mindestsicherung: Krankheit, Chancentod Kinder, desolates Wohnen und weniger Inklusion?

Tagung der Armutskonferenz. Sozialrechtler Pfeil: „Vermutlich verfassungswidrig und gegen unionsrechtliche Vorgaben“ / Ökonomin Heitzmann: „Auch negative Folgen sind Kosten"

(22.10.2018) "Die Kürzungen der Mindestsicherung treffen vor allem Österreicher und da auch jene, die Arbeit haben, von der sie nicht leben können", stellt Walter Pfeil, Professor für Sozialrecht an der Universität Salzburg, in seinem Referat auf der Armutskonferenz-Tagung „Das ist doch das Mindeste“ in der österreichischen Kontrollbank fest. „Viele Vorschläge zur neuen Regelung der Mindestsicherung sind vermutlich verfassungswidrig und gegen unionsrechtliche Vorgaben.“, so Pfeil. Was ihm „als Rechtsprofessor wirkliche Sorgen bereite“ ist, dass hier „rechtsstaatliche Prinzipien mit Füssen getreten werden“. Der Rechtsprofessor verweist auf das Sachlichkeitsprinzip und zitiert den Verfassungsgerichtshof, der mit der „Sicherung eines menschenwürdigen Lebens“ argumentiert. In seinem Erkenntnis zu Niederösterreich sagt der VfGh, dass die Regelungen ihren „eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen verfehle“.

Weiters gibt Pfeil zu bedenken, dass bei der angekündigten Streichung der Notstandshilfe Vertrauensschutz und Eigentumsrecht verletzt sein könnten.

Wird Sozialschutz gekürzt, verringern sich auch ökonomische Erträge

„Sozialschutz ist Voraussetzung für Sozialinvestition“, erklärt Karin Heitzmann, Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Existenzsicherung Ist Vorbedingung. „Wird bei Sozialschutz gekürzt, verringern sich auch die ökonomischen Erträge von Sozialinvestitionen“, so Heitzmann. „Aus ökonomischer Sicht ist vor Verschlechterungen zu warnen. Mittlerweile ist auch wissenschaftlich über die negativen Auswirkungen von Sozialinvestition ohne Sozialschutz viel bekannt, wie z.B bei HartzIV“. Negative Folgen gibt es da für Gesundheit, Bildungschancen der Kinder, Wohnsituation oder Inklusion. „Auch das sind Kosten“, führt die Ökonomin aus.

Soziale Grundrechte

Im Rahmen der Tagung werden unterschiedliche Perspektiven auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung beleuchtet. Neben Walter Pfeil und Karin Heitzmann kommen zur Wort: Gerhard Bäcker (Uni Duisburg), Maria Kemmetmüller (Schuldenberatung), Martin Hiesel (Volksanwaltschaft), Anne Van Lancker (Emin Europa) oder Wolfgang Schmidt (Amsel Graz). Die Konferenz beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Fragen: Wie ist das Verhältnis zwischen den Kosten für die Mindestsicherung und den Folgekosten, die aus einer Kürzung resultieren würden? Welche (verfassungs-)rechtlichen Implikationen ergeben sich daraus? Wie sehen die entsprechenden Erfahrungen rund um Hartz-IV in Deutschland aus? Wie können Grundrechte gewahrt und Personen sozialrechtlich besser unterstützt werden? Inwiefern können realitätserprobte Modelle wie beispielsweise die Referenzbudgets herangezogen werden?


Weitere Informationen:

Tagungsprogramm 22.10.2018: Das ist doch das Mindeste!

Interview mit Gerhard Bäcker in der Wiener Zeitung

Präsentationen der Referent*innen: