Vertretungsnetz kritisiert: Weniger Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung

Kärnten, Niederösterreich und Oberösterreich rechnen die „erhöhte Familienbeihilfe“ auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) an. In NÖ ist nun eine Gesetzesänderung geplant, die niedrigere Mindeststandards für Menschen mit Behinderung vorsieht

NÖ plant die Einführung eigener, niedrigerer BMS-Mindeststandards für Menschen mit Behinderung! Weitere Informationen zur Novellierung in NÖ und Stellungnahmen .

Viele Menschen mit Behinderungen bestreiten ihr Leben mit Hilfe von Geldleistungen, die aufgrund von Bundes- und Landesgesetzen gewährt werden. Eine wichtige Bundesleistung ist die „erhöhte Familienbeihilfe“, mit welcher Betroffene oft erhöhte Kosten für Gesundheits- und Hilfsdienstleistungen abdecken. In Österreich gibt es zusätzlich in jedem Bundesland unterschiedliche Landesgesetze, die die Zuerkennung von Geldleistungen für Menschen mit und ohne Behinderung regeln.

Die Artikel 15a B-VG Vereinbarung zur bedarfsorientieren Mindestsicherung sieht zweifelsfrei vor, dass die Familienbeihilfe bei der Berechnung nicht als Einkommen berücksichtigt werden darf. Trotzdem brechen einzelne Länder diese Vereinbarung mit dem Bund. Dagegen haben die betroffenen Menschen keine Handhabe. Einen Verstoß gegen die 15a-Vereinbarung können nur die Vertragspartner (Bund und Länder) geltend machen, nicht aber ein/e davon betroffene/r Mindestsicherungsbezieher/in.

Gleichheitswidrige Behandlung

Nach der Verordnung zum OÖ Chancengleichheitsgesetz wurde etwa die „erhöhte Familienbeihilfe“ auf die Geldleistung des Landes angerechnet und damit die Höhe von Landesleistungen reduziert. VertretungsNetz legte deswegen in vier Musterfällen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein. Dieser stellte bisher in zwei Fällen eine gleichheitswidrige Behandlung der Personen fest. Trotzdem beharren die betroffenen Bundesländer auf ihrer diskriminierenden Praxis. Chancengleichheit sieht anders aus!

VertretungsNetz fordert deshalb schon lange ein gesetzliches Verbot, das die Länder daran hindert, die „erhöhte Familienbeihilfe“ auf Landesleistungen anzurechnen. Im Famlienlastenausgleichsgesetz (FLAG) könnte durch eine Bestimmung sichergestellt werden, dass die erhöhte Familienbeihilfe von derzeit 349,40 Euro monatlich, Menschen mit Behinderung ungeschmälert zukommt, auch wenn sie zusätzlich zu dieser Bundesleistung eine Geld- oder Sachleistung eines Bundeslandes erhalten.

Viele fordern eine Änderung

VertretungsNetz-Geschäftsführer Dr. Peter Schlaffer hat an Behindertenanwalt Dr. Erwin Buchinger appelliert, sich für eine Gesetzesänderung im Sinne von Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Die Behindertenanwaltschaft hat daraufhin in einem Pressegespräch vom 27.3.2013 angeregt, dass die Familienbeihilfe bei der Berechnung von bedarfsorientierter Mindestsicherung und anderer Sozialleistungen nicht als Einkommen behandelt werden soll.

Der Grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger hat mittlerweile einen Initiativ-Antrag im Parlament eingebracht, das Familienlastenausgleichsgesetz entsprechend zu ändern. Ein Zusatzabsatz soll betonen, dass die Familienbeihilfe nicht als Einkommen gilt. Einzelne Bundesländer sollen so daran gehindert werden, den eindeutigen Willen des Bundesgesetzgebers zu umgehen. VertretungsNetz-Geschäftsführer Dr. Peter Schlaffer wandte sich in diesem Zusammenhang in einem Brief vom 24.07.2013 an die BehindertensprecherInnen aller Parteien mit der Bitte, den Initiativantrag des Abgeordneten Öllinger zu unterstützen.Der Antrag im Sozialausschuss wurde am 25.07.2013 abgelehnt.

Auch die Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) fordert in einer Aussendung die Beseitigung der gängigen Praxis in Oberösterreich, Niederösterreich und Kärnten. Die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf Leistungen wie die Mindestsicherung sei eine verfassungswidrige Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Zusätzlich wird die Möglichkeit, ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben zu führen, eingeschränkt. Dies stellt einen Verstoß gegen die Menschenrechte nach der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen dar.

Weitere Informationen: www.vertretungsnetz.at