Armutskonferenz und Amnesty International: Soziale Menschenrechte in die Verfassung!
Zum UN-Tag der Menschenrechte fordern die Organisationen das Recht auf menschenwürdiges Dasein, Mindestversorgung, Recht auf Wohnen und Bildung in der Verfassung zu verankern
(08.12.2022) Die Armutskonferenz und Amnesty International Österreich erinnern im Vorfeld des Internationalen Tags der Menschenrechte an den langjährigen Plan, soziale Menschenrechte als Verfassungsrechte anzuerkennen. „Die Schönheit der Verfassung zu würdigen, heißt, sie um soziale Menschenrechte zu vervollständigen“ formuliert das Netzwerk Armutskonferenz in Anlehnung an ein mittlerweile geflügeltes Wort des Bundespräsidenten. Und erinnert: „Auch das Regierungsprogramm sieht eine Erweiterung des Grundrechtekatalogs vor.“
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, betont, wie wichtig die verfassungsrechtliche Absicherung der sozialen Menschenrechte ist: „Menschenrechte sind nicht teilbar. Das bedeutet, dass wir ALLE unsere Menschenrechte wirksam gewährleisten, also in der Verfassung verankern, müssen. Denn nur dann können Einschränkungen von sozialen Grundrechten, wie etwa beim Recht auf Wohnen oder beim Recht auf Bildung auch geklagt werden.“ Gerade in Krisen – wie aktuell der Teuerungs- oder der Energiekrisen – werden soziale Menschenrechte und die Überprüfung von Maßnahmen durch Höchstgerichte immer wichtiger. „Österreich“, so die Menschenrechtsexpertin, „ist Schlusslicht in Europa, in dem kein einziges soziales Grundrecht in der Verfassung verankert ist. Es ist an der Zeit, aufzuholen und das zu ändern.“
Mindestversorgung und menschenwürdiges Dasein
Die Armutskonferenz hat dafür ein „Bundesverfassungsgesetz soziale Sicherheit“ erarbeitet, das neben der Gewährleistung eines „menschenwürdigen Daseins“ folgende Rechte vorsieht: das Recht auf Gesundheitsversorgung, das Recht auf Wohnen und das Recht auf Mindestversorgung. „Jeder Mensch hat das Recht auf Mindestversorgung, die ein menschenwürdiges Dasein, insbesondere materielle Sicherheit, soziale und gesellschaftspolitische Teilhabe, gewährleistet“, heißt es im Gesetzesentwurf der Armutskonferenz. Das Recht auf Wohnen umfasst angemessene Unterkunft, Delogierungsprävention und Schutz vor Diskriminierung. Das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz würde das gesamte Menschenrechtsspektrum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Österreich direkt in der Verfassung abbilden und damit auch die langjährige Forderung, die Rechte aus dem Pakt für wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 590/1978) anzuerkennen, erfüllen.
Erweiterung des Grundrechtekatalogs notwendig
„Es ist jetzt der richtige Moment, um das Vorhaben der Regierung aufzugreifen, den Grundrechtekatalog zu modernisieren“, betont Martin Schenk von der Armutskonferenz. Das österreichische Verfassungsrecht enthält – anders als zum Beispiel das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – weder soziale Grundrechte noch eine Sozialstaatsklausel oder einen speziellen Grundrechtsschutz für sozialrechtliche Leistungen. In der österreichischen Verfassung sind bereits wirtschaftliche Grundrechte – wie das Recht auf Erwerbs- und Eigentumsfreiheit – verankert, aber keinerlei soziales Grundrecht. „Es ist wichtig und unverzichtbar, dass unsere Freiheitsrechte vor staatlichen Übergriffen geschützt werden. Aber unser Grundrechtskatalog bleibt eine halbe Sache, wenn nicht auch die sozialen Existenzgrundlagen abgesichert werden“, betont das Netzwerk Armutskonferenz abschließend.