Armutskonferenz und Amnesty International: Verfassung um soziale Menschenrechte zu vervollständigen
Organisationen zum UN-Tag und 75 Jahre Erklärung der Menschenrechte: „Armut ist eine Menschenrechtsverletzung"
(08.12.23). „Es ist jetzt - zum 75.Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte - der richtige Moment, um das Vorhaben der Regierung aufzugreifen, den Grundrechtekatalog zu modernisieren.“ In einer gemeinsamen Aussendung erinnern Amnesty International Österreich und die Armutskonferenz im Vorfeld des Internationalen Tags der Menschenrechte an den langjährigen Plan, die österreichische Verfassung um soziale Menschenrechte zu vervollständigen. Diese enthält weder soziale Grundrechte noch eine Sozialstaatsklausel oder einen speziellen Grundrechtsschutz für sozialrechtliche Leistungen. „Alle Menschenrechte sind allgemein gültig, unteilbar, bedingen einander und bilden einen Sinnzusammenhang“ formulierte die Wiener UN-Menschenrechtskonferenz 1993 deren Unteilbarkeit „alle für alle“.
Armut verletzt die Menschenrechte
Wie wichtig die Verankerung der sozialen Rechte in der Verfassung ist, zeigt sich unter anderem am Thema Armut: „Armut ist eine Menschenrechtsverletzung", so Amnesty und Armutskonferenz unisono. "Das aktuelle Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist ein Verarmungsgesetz, da es nicht mehr ausdrücklich zum Ziel hat, Menschen vor Armut zu schützen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen“, so Ronya Alev, Expertin für soziale Rechte bei Amnesty International Österreich. Auch erste Befunde der Armutskonferenz und aus der sozialen Praxis zeigen die gravierenden negativen Folgen der Umsetzung dieses Gesetzes in den Bundesländern. Doch aufgrund der fehlenden Absicherung durch die Verfassung könne das Regelwerk nicht als verfassungswidrig angefochten werden. „Soziale Rechte, wie etwas das Recht auf ein Leben in Würde, müssen die Basis sein, auf deren Grundlage staatliches Handeln überprüft werden kann. Dazu müssen sie aber in der Verfassung verankert werden“, so Alev.
„Es ist wichtig und unverzichtbar, dass unsere Freiheitsrechte vor staatlichen Übergriffen geschützt werden. Aber unser Grundrechtskatalog bleibt eine halbe Sache, wenn nicht auch die sozialen Existenzgrundlagen abgesichert werden“, betont Sozialexperte Martin Schenk vom Netzwerk Armutskonferenz.
Verfassung vervollständigen: Mindestversorgung und menschenwürdiges Dasein
Die Armutskonferenz hat dafür ein "Bundesverfassungsgesetz Soziale Sicherheit“ erarbeitet, das neben der Gewährleistung eines „menschenwürdigen Daseins“ folgende Rechte vorsieht: das Recht auf Gesundheitsversorgung, das Recht auf Wohnen und das Recht auf Mindestversorgung. „Jeder Mensch hat das Recht auf Mindestversorgung, die ein menschenwürdiges Dasein, insbesondere materielle Sicherheit, soziale und gesellschaftspolitische Teilhabe, gewährleistet“, heißt es im Gesetzesentwurf der Armutskonferenz. Das Recht auf Wohnen umfasst angemessene Unterkunft, Delogierungsprävention und Schutz vor Diskriminierung. Das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz würde das gesamte Menschenrechtsspektrum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Österreich direkt in der Verfassung abbilden und damit auch die langjährige Forderung erfüllen, die Rechte aus dem Pakt für wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 590/1978) anzuerkennen.