Soziale Menschenrechte in Österreich im Kontext der COVID-19 Maßnahmen
Marianne Schulze schreibt über die Konsequenzen der COVID-19 Maßnahmen auf armutsgefährdete und armutsbetroffene Personen und zeigt auf welche Rolle soziale Menschenrechte dabei haben
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie haben die bereits offensichtliche Ungleichheit in der Gesellschaft noch deutlicher werden lassen; die Konsequenzen der Maßnahmen werden bereits bestehende Ungleichheiten deutlich verstärken. Armutsbetroffene Menschen werden noch weniger finanzielle Mittel und damit drastisch reduzierte Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilnahme haben; die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist schon dramatisch gestiegen und wird, wenn kurzfristige Maßnahmen wie zum Beispiel die Kurzarbeit enden, weiter ansteigen.
Ungleichheit bedeutet eine unterschiedliche Verteilung von finanziellen Mitteln und in weiterer Folge von Teilhabemöglichkeiten in der Gesellschaft: weniger Bildungsmöglichkeiten, schlechterer Gesundheitszustand, deutlich weniger politisches und gesellschaftspolitisches Engagement, schlechtere Arbeitsbedingungen, weniger Ressourcen für Engagement und Neigungen.
Ungleichheit hat viele Facetten und Ursachen. Strukturelle Faktoren – dazu zählen gesetzliche Regelungen – tragen wesentlich zu Ungleichheit bei. Ein struktureller Faktor sind die Prinzipien und Werte, die die Verfassung für die Gestaltung der öffentlichen Verwaltung vorgibt.
In Österreich verbrieft die Verfassung nur einen Teil des Menschenrechtskatalogs: soziale Menschenrechte sind darin nicht erwähnt. Zu den sozialen Menschenrechten zählen: Soziale Sicherheit, adäquater Lebensstandard, Recht auf Nahrung, Recht auf Wasser, Recht auf Zugang zu Gesundheitsversorgung, Recht auf Bildung, Recht auf Arbeit, Recht auf Kultur, Recht auf den neusten Stand der Wissenschaft, Urheber*innen-Rechte, Verbraucher*innenschutz. (Europäische Sozialcharta: UN Pakt für Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte)
Die Tatsache, dass soziale Menschenrechte verfassungsrechtlich nicht anerkannt sind hat Auswirkungen darauf, wie soziale Maßnahmen gestaltet werden und wie veränderlich sie sind. Eine Verankerung von sozialen Menschenrechten in der Verfassung hat Konsequenzen für die Gestaltung von sozialpolitischen Maßnahmen, sowie die Art und Weise der Umsetzung.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie würden anders gestaltet sein und müssten höheren menschenrechtlichen Standards genügen, wenn soziale Menschenrechte in der Verfassung verankert wären.
Daher ist es höchste Zeit für ein Bundesverfassungsgesetz soziale Sicherheit, in dem insbesondere existenzielle Mindestversorgung, soziale Sicherheit, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Recht auf Wohnen, Recht auf Arbeit, Recht auf Bildung und Kultur, Recht auf den neusten Stand der Wissenschaft, garantiert sind.
Dies würde eine große menschenrechtliche Lücke schließen, die insbesondere armutsbetroffenen und armutsgefährdeten Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht. Die Verbesserung der sozialen Sicherheit würde die Teilhabemöglichkeiten von armutsbetroffenen und – gefährdeten Menschen steigern, den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, und einen wesentlichen Beitrag zur Gleichheit – als Wesensmerkmal der Demokratie – leisten. Die Stärkung sozialer Menschenrechte würde aber insgesamt den sozialen Frieden sichern helfen und als willkommener Nebeneffekt die Volkswirtschaft stärken.
Marianne Schulze gibt in ihrem Bericht „Soziale Menschenrechte: Grundlage für Soziale Sicherheit für alle – Rechtliche Ungleichheiten & COVID-19“ einen kursorischen Überblick über die Konsequenzen der COVID-19 Maßnahmen auf armutsgefährdete und armutsbetroffene Personen. Darüber hinaus werden jene Prinzipien und rechtsstaatlichen Vorgaben skizziert, die eine Verbesserung der sozialen Sicherheit ermöglichen würden.
Download Gesamtbericht: Soziale Menschenrechte und Covid