Regress bei Sozialhilfe und Pflege ist Vermögenssteuer für Arme
Wer Pflege nicht als großes Lebensrisiko sieht, muss Betroffene im Risikofall zu Sozialhilfeklienten machen
(30.12.2010). In der Steiermark wird der Regress in der Sozialhilfe wie in der Pflege wieder eingeführt. "Das ist eine Vermögenssteuer für Arme und die Mittelschichten"; kritisiert die Armutskonferenz. "Während vermögensbezogene Steuern als Beitrag der obersten reichsten 10% nicht eingeführt werden, ist es offenbar kein Problem die mittleren und unteren Haushalte mittels Regress voll zu belasten.", so das österreichische Anti-Armutsnetzwerk, dessen Mitglieder über 500 000 Hilfesuchende im Jahr betreuen.
In seiner Familie mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert zu werden, kann jeder und jedem passieren. Trotzdem wird Pflege weitgehend als privates Risiko betrachtet, für das jeder selbst aufzukommen hat. Nirgendwo im Sozialsystem gibt es so hohe Selbstbehalte, nirgendwo wird so rigoros auf das eigene Vermögen und das der Angehörigen gegriffen, wie im Pflegefall. Wird im Krankenhaus noch auf hohem Niveau für uns gesorgt, sind wir - gelten wir als "austherapiert" - auf uns allein gestellt oder werden im Alter zum Fall für die Sozialhilfe.
"Wer Vermögen nicht besteuert, muss vom Mittelstand abwärts weiter die letzten Ersparnisse einkassieren. Und wer Pflege nicht als großes Lebensrisiko sieht, muss Betroffene im Risikofall zu SozialhilfeklientInnen machen.", so Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk, Mitbegründer der Armutskonferenz."Auch in der Sozialhilfe war die Aufhebung des Regresses ein sozialpolitischer Fortschritt, da er keine Hilfe für die Betroffenen und ihre Familien zur sozialen Integration darstellte. Wenn es jemand wieder schafft zu Einkommen und Arbeit zu kommen, ist es nicht klug, ihn und seine Familie mittels Regress dafür wieder zu bestrafen".
Wichtige Reformen im förderalen System notwendig
"In der Umsetzung der Mindestsicherung orientieren sich viele Bundesländer an der schlecht möglichsten Auslegung oder brechen den 15a Vertrag wie die Steiermark.", weist die Armutskonferenz darauf hin, dass es weiter neun verschiedene Standards geben wird. "Unausweichlich sind Reformen im Dschungel des föderalen Systems mit seinen neunmal unterschiedlichsten Regelungen, die in vielen Fällen sachlich nicht begründbar sind.", so Schenk. "Alle Bürger zahlen österreichweit Steuern und Abgaben, bekommen dann aber je nach Bundesland bessere oder schlechtere Leistungen dafür. Fangen wir gleich bei der Sozialhilfe und ihrem Vollzug auf den Ämtern an. Je nach Bundesland, je nach Bezirk, je nach Gemeinde herrschen andere und häufig willkürliche Vollzugspraktiken. Dieselben Fragen stellen sich in den neun unterschiedlichen Jugendwohlfahrtsgesetzen oder den neunmal unterschiedlichen Kosten für dieselbe Pflegedienstleistung.", so die Armutskonferenz abschließend.
Ein anderes Budget ist möglich - Zukunftsinvestitionen in Soziales, Kinder, Pflege und Bildung