Armutskonferenz zu EU-Sozialgipfel: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein
In Europa 70 Millionen Menschen von Einkommensarmut betroffen, arbeiten in Billigjobs, haben starke physische oder psychische Beeinträchtigungen oder können sich Wohnen nicht leisten
(16.11.2017) "Zu einer effektiven Politik gegen Armut", ruft die Armutskonferenz die Regierungschefs am Sozialgipfel in Göteborg auf. "Lippenbekenntnisse für ein soziales Europa reichen nicht aus", so Sozialexperte Martin Schenk, „es gilt jetzt in ganz Europa mit aller Kraft in Soziales, in Bildung, Gesundheit und gute Arbeitsplätze zu investieren, damit es den Menschen in Europa - und damit auch der Wirtschaft - gut gehen kann."
Die Strategien und Pläne dafür liegen längst auf dem Tisch. Ein soziales Europa ist möglich und steht nicht im Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg. Wir erwarten von den Regierungen, dass sie sich verstärkt für ein soziales Europa einsetzen und die bisherigen negativen Entwicklungen bremsen." Der bisherige Kurs der europäischen Regierungschefs zielte auf Abbau sozialstaatlicher Leistungen und Infrastruktur sowie Druck auf die Löhne. Die verabschiedeten Rechtsakte zementierten die finanzpolitischen Ungleichgewichte zu Lasten der sozialen Stabilität. Sie stehen damit auch im Widerspruch zum offiziellen EU-Ziel der Armutsbekämpfung, wie es im Zuge der Europa-2020-Strategie von allen Staatschefs formuliert wurde.
Sozialökonomische Studien zeigen, dass immer dort, wo hohe Ungleichheiten herrschen, Menschen weniger Lebensqualität haben. „Wo Ungleichheit herrscht, gibt es mehr Kriminalität, mehr Arbeitslosigkeit, mehr soziale Ausgrenzung und weniger soziale Sicherheit“, betont Schenk. „Weniger Ungleichheit drückt sich hingegen nicht nur in höherer Lebensqualität, sondern auch in besseren Wirtschaftsdaten aus.“
In Wirklichkeit braucht es mehr Europa und mehr Demokratie
Anlässlich des EU-Gipfel zu einem „Social Pillar“ spricht sich die Armutskonferenz für "mehr Europa und mehr Demokratie" aus was die zukünftige Linie der Sozial- und Wirtschaftspolitik betrifft. So wie bisher kann das nicht weiter gehen. In Wirklichkeit braucht es mehr Europa und mehr Demokratie: Zur besseren Zielsteuerung braucht es Indikatoren (Scoreboards) zu Arbeitslosigkeit, Qualität der Jobs und zu sozialen Entwicklung, aber auch zur Steuerstruktur. Mehr Europa und mehr Demokratie heißt: Nicht nur für die Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors eintreten, sondern auch für die Stabilisierung des sozialen Ausgleichs", so die Armutskonferenz: "Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein", so Schenk.
In Europa sind 70 Millionen Menschen derzeit von Einkommensarmut betroffen, arbeiten in Billigjobs, als working poor, haben starke physische oder psychische Beeinträchtigungen, oder können sich Wohnen nicht leisten.