Vom Familienhärtefonds sind die hunderttausend ärmsten Kinder ausgeschlossen
Funktionierender Schutzschirm für Menschen in Not! Soforthilfe in Mindestsicherung ist totes Recht, Unterstützungssysteme zur Zeit weggebrochen, Einkommensarme immens gefährdet
(9.4.2020) „Vom Familienhärtefonds sind die ärmsten Kinder ausgeschlossen“, weist die Armutskonferenz auf eine dringliche Aufgabe der Regierung hin. 80.000 Kinder leben unter Sozialhilfebedingungen, 58% davon in zu kleinen, überbelegten Wohnungen, weitere zehntausende in Haushalten mit prekärer Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit. „Wir brauchen einen funktionierenden Schutzschirm für Menschen in Not - keinen mit Löchern, der Hunderttausende im Regen stehen läßt“, so die Armutskonferenz. „Frauen, Männer, Kinder, die bisher schon große soziale und gesundheitliche Belastungen hatten, brauchen jetzt Entlastung, um nicht zusammenzubrechen“:
- Die Soforthilfe in der Mindestsicherung funktioniert nicht, ist totes Recht. Und in existenziellen Notlagen sind drei Monate Wartezeit auf eine Entscheidung zu lange. Für Krisensituationen gab es früher flächendeckend Regelungen der Soforthilfe: die hilfesuchende Person konnte beim Sozialamt vorsprechen, die Notlage glaubhaft darlegen und bekamen eine erste Hilfe ausbezahlt. Zunehmende Verschlechterungen der Gesetze führten dazu, dass diese unbürokratische Hilfe zurückgedrängt wurde oder in der Praxis ganz verschwand.
- Betroffene können auf Unterstützungssysteme neben der „Kernfamilie“ jetzt nicht zugreifen: Kind zur Oma Essen schicken, kostenlose Jausen und ermäßigtes Essen in Schulen, Angebote der Freizeit, Assistenz, Sozialarbeit, öffentliche Dienstleistungen etc
- Einkommensarme müssen in der Corona-Krise als hoch verletzliche Gruppe eingestuft werden. Sie sterben um 10 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung und weisen ein dreifach so hohes Krankheitsrisiko auf.
- Aufgrund von beengten Wohnverhältnissen haben Kinder schlechtere Bedingungen für eine häusliche Quarantäne bzw. generell in der Phase der Ausgangsbeschränkungen. Oft müssen sich mehrere Personen ein Zimmer teilen. Kinder in Mindestsicherung leben zu 58% in überlegten, zu kleinen Wohnungen.
- Jetzt ist auch Prävention vor einer sozialen Krisen notwendig, das spart uns Folgekosten danach. Wenn die Maßnahmen die Betroffenen nicht erreichen, werden Auswirkungen gravierend und massiv sein.
Die Armutskonferenz drängt auf sozialpolitische Maßnahmen, die den ökonomisch schwächsten 20 % unter die Arme greifen. Sogar in Deutschland war es in der ersten Woche des Ausbruchs der Corona-Pandemie möglich, die Vermögensanrechnung bei HartzIV außer Kraft zu setzen. Es braucht sozialstaatliche Antworten auf die in der Krise wachsende Ungleichheit.
Mindestsätze über Ausgleichzulage um 100 Euro erhöhen
Eine Möglichkeit wäre die Erhöhung der Mindestsätze über die Ausgleichszulage auf 1000 Euro. Mindestsicherung und Sozialhilfe orientieren sich an der Ausgleichszulage. Sie definiert das unterste soziale Netz nicht nur bei Mindestpensionen, sondern auch bei Mindestsicherung, Sozialhilfe und aufgestockter Notstandshilfe wie Arbeitslosengeld. Das würde in der Krise „ganz unten“ helfen bei bisher prekär und gering Beschäftigten und bei denjenigen, die gar keine Ansprüche auf Arbeitslosenversicherung haben. Hilft aber auch allen Notstandshilfe- und Arbeitslosengeldbeziehenden, die auf die Ausgleichszulage aufstocken. Und kommt Kindern zu Gute.
„Hilfen in besonderen Lebenslagen“
Weiters sollte von der Regierung ein Sozialfonds mit mindestens 100 Millionen Euro dotiert werden. Darauf können die Länder im Rahmen der „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ der Mindestsicherung zugreifen. Das bedeutet, dass es keine neue gesetzliche Grundlage bräuchte, sondern lediglich eine Erweiterung des Begriffs der „besonderen Lebenslage“ bzw. eines „Härtefalls“. Hier geht es um Wohnfragen, Kindersachen wie Windeln, Spiele, Fördermaterialien, Energie und Internetkosten, Lebensmittel und Hygiene. Die Kriterien können auf die Corona Krise bedarfsgerecht definiert werden, der Antrag muss einfach und unbürokratisch sein.
Befristete Anhebung Familienzuschlag in Arbeitslosenversicherung
Eine Maßnahme, die schwer belastete Kinder jetzt gut erreicht, wäre die Anhebung des Familienzuschlags im ALVG auf 100 Euro im Monat. Der Zuschlag liegt jetzt bei € 0,97 pro Tag, also €29,10 Euro im Monat.