Neue Daten zum Leben mit Mindestsicherung: Desolate Wohnbedingungen, Arm trotz Arbeit, gesundheitliche Einschränkungen und Chancentod für Kinder
Auswertung der Statistik Austria. Ist im Lockdown jetzt zentral geworden: Beengtes Wohnen in Homeoffice und Homeschooling samt Benachteiligungen für Kinder & Jugendliche.
(28.01.2021) Eine aktuelle Studie der Statistik Austria gibt ein realistisches Bild über Lebensbedingungen von Mindestsicherungs-BezieherInnen:
- Sehr hohe Raten bei gesundheitlichen Einschränkungen, chronischer Krankheit und Behinderung
- Starke negative Effekte bei Wohnsituation
- Massive Auswirkungen auf Gesundheit, Chancen und Teilhabe bei Kindern
- Viele Familien mit Kindern sind arm trotz Arbeit – Working Poor
Alle Daten stammen von vor den Kürzungen und Einschnitten in der Sozialhilfe. Die Erhebung der Daten erfolgte vor der Corona-Krise und deren sozialen Folgen. Vieles davon ist im Lockdown jetzt zentral geworden: Beengtes Wohnen in Homeoffice und Homeschooling samt Benachteiligungen für Kinder & Jugendliche.
Hohe Wohnkostenbelastung und desolate Wohnbedingungen
Menschen in der Mindestsicherung sind von ihren Wohnkosten deutlich stärker belastet als der Rest der Bevölkerung. Gleichzeitig können 11 Prozent der Mindestsicherungsbezieher ihre Wohnung nicht warm halten. Das ist fünfmal öfters als Haushalte ohne Mindestsicherung.
Das geht aus einer aktuellen Sonderauswertung der Lebensbedingungen von Mindestsicherungsbeziehenden und ihren Haushalten durch die Statistik Austria für das Sozialministerium hervor.
Wenig überraschend wohnen Mindestsicherungsbezieher auch in viel kleineren und schlechteren Wohnungen. Während die durchschnittliche Wohngröße in Österreich bei 90 Quadratmetern liegt, ist sie bei Mindestsicherungsbeziehern mit 60 Quadratmetern deutlich kleiner. Haushalte mit Kindern ohne Mindestsicherungsbezug leben durchschnittlich auf 110 Quadratmetern, jene mit Mindestsicherungsbezug dagegen auf 68 Quadratmetern.
Die Wohnungen der Menschen, die auf die Mindestsicherung angewiesen sind, sind nicht nur kleiner, sondern auch von schlechterer Qualität, wie die Erhebung zeigt. 21 Prozent geben an, dass in ihren Wohnungen Feuchtigkeit, Fäulnis oder Undichtheit vorhanden ist. In Haushalten ohne Mindestsicherung besteht dieses Problem nur bei zehn Prozent. 11 Prozent der Haushalte mit Mindestsicherung geben an, die Wohnung nicht warm halten zu können, bei Haushalten ohne Mindestsicherung sind das nur zwei Prozent.
Starke Benachteiligung von Kindern mit vielen negativen Auswirkungen
Die Armutskonferenz macht darauf aufmerksam, dass diese Zahlen vor den Kürzungen der Sozialhilfe erhoben wurden und auch vor der Corona-Pandemie und ihren sozialen Folgen – die Situation der Betroffenen wird sich als noch weiter verschärfen! Desolates Wohnen wirkt sich besonders hemmend auf Bildungschancen und die Gesundheit der Kinder aus: 20% der Kinder müssen in feuchten Wohnungen leben, 56% der Wohnungen sind überbelegt, in 25% gibt es Lärmbelästigung.
"Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit niedrigem Einkommen aufwachsen, haben Nachteile, die in mehreren Bereichen sichtbar werden. Die Gefahr des sozialen Ausschlusses zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten, Freunde einzuladen, Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen", warnt Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz vor den Folgen der neuen Sozialhilfegesetze. Kinder in der Mindestsicherung können 15 mal weniger an Sport und Freizeitaktivitäten teilnehmen, 10 mal weniger Feste feiern, 6 mal weniger Einladungen an Freunde stellen, 11 mal weniger an Schulaktivitäten teilnehmen.
Working Poor
Dabei haben mehr als die Hälfte der Familien mit Kindern (57 Prozent) Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Für Schenk weist das auf "working poor und prekäre Arbeit" hin. Working Poor sei das große verschwiegene Thema hinter der Debatte um die Mindestsicherung.
Gesundheitlich angeschlagen
Weiters weisen 23% der MindestsicherungsbezieherInnen einen sehr schlechten Gesundheitszustand auf, 22% sind stark beeinträchtigt durch eine Behinderung, 55% chronisch krank.
Details in der Zusammenfassung zentraler Ergebnisse: Lebensbedingungen.Menschen.Mindestsicherung
Statistik Austria: Tabellenband der Sonderauswertung