Missstände bei Auszahlung der Familienbehilfe: Kinder und Menschen mit Behinderungen existentiell bedroht
Armutskonferenz fordert Familien- und Finanzminister/in zu umgehender Sanierung auf: zu lange Wartezeiten und keine behördliche Unterstützung
(23.06.23). „Es erreichen uns gehäuft Anfragen und Beschwerden über die zu lange und bürgerunfreundliche Abwicklung und Auszahlung der Familienbeihilfe“, berichtet das Netzwerk Armutskonferenz, dessen Mitglieder über 500.000 Menschen im Jahr betreuen und begleiten. Vorrangig geht es darum, dass Kinder und Menschen mit Behinderungen mehrere Monate auf die Gewährung der Familienbeihilfe warten. In Folge verzögern sich weitere Antragsbearbeitungen mit Schnittstelle zur Familienbeihilfe. „Die Familienbeihilfe als notwendiger Anknüpfungspunkt für Transfer- und Sozialleistungen hat eine große Bedeutung in der Armutsvermeidung“, fordert die Armutskonferenz Familien- und Finanzministerium auf, die Probleme langer Wartezeiten und mangelnder behördlicher Unterstützung umgehend zu sanieren. Die Familienbeihilfe ist auch Grundlage für die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes. Weiters werden etwa hohe verspätete Nachzahlungen des Amtes auf den Sozialhilfeanspruch gegengerechnet, was zu existentiellen Krisen von Kindern und ihren Eltern führen kann.
Erschwerend kommt die Zentralisierung der Antragsbearbeitung hinzu, kritisiert die Armutskonferenz: „Die vormals geleistete persönliche Unterstützung auf den Wohnsitzfinanzämtern ist weggefallen.“ Kein Mitarbeiter der Behörde fühlt sich mehr zuständig und auch Vorreihungen aufgrund von Dringlichkeit gibt es nicht mehr. Viele Beispiele zeigen die Auswirkungen der langen Antragsdauer und auch des Abbaus von Sprechstunden auf den Finanzämtern dramatisch auf. Den Betroffenen, Eltern und Kindern als auch Menschen mit Behinderungen droht nicht nur der Ausfall wichtiger Gelleistungen, sie leiden unter diesen Rahmenbedingungen so sehr, dass sie resignieren.
Menschen mit Behinderungen: Herr F.: 29 Jahre alt – lange Wartezeit und keine Kontaktmöglichkeit
Es stellte sich heraus, dass Hr. F. nicht mehr krankenversichert ist, da die erhöhte Familienbeihilfe eingestellt wurde. Dafür gab es keine Begründung und auch keine Information. Bei Anrufen am Finanzamt bekam die Mutter die Auskunft, dass die Informationen auf Finanzonline nachzulesen wären. Die Mutter hat bei Finanzonline kein Konto. Nach einigen Telefonaten ohne Information (niemand ist zuständig, niemand weiß, wer die Einstellung veranlasst hat, die Bearbeitung dauert aber Monate) meldete sie sich bei Finanzonline an. Hr F und seine Mutter wandten sich schließlich an die Behindertenanwaltschaft. Als diese intervenierte, wurde innerhalb kurzer Zeit die erhöhte Familienbeihilfe bis 2024 bewilligt.
Herr X.: 50 Jahre alt, psychisch krank: Kein persönlicher Parteienverkehr mehr
Hr. X bezieht unbefristete Invaliditätspension sowie Pflegegeld Stufe 1. Lebt alleine im Haus der früheren Landwirtschaft (seiner Eltern, beide bereits verstorben). Es gibt noch verpachtete Grundstücke die früher zur Landwirtschaft der Eltern von Hr. X gehörten, darum muss Herr X jährlich eine Steuererklärung für diesen landwirtschaftlichen Betrieb abgeben. Hr. X hat seine Steuererklärung in den letzten Jahren immer direkt am Finanzamt gemacht, die er mit Unterstützung der Mitarbeiterin am Schalter ausfüllen konnte. Hr X ist überfordert, den Antrag auszufüllen. Er reagiert darauf zunehmend resigniert, da er nicht weiß, wie er das entsprechende Schriftstück ausfüllen soll. Am zuständigen Finanzamt gibt es keinen offenen Parteienverkehr mehr.
Herr Y.: Alleinerziehend, zwei Kinder: Wartezeiten mindestens drei Monate
Hr. Y. bezieht Familienbeihilfe für zwei Kinder, für ein Kind erhöhte Familienbeihilfe. Er hat subsidiären Schutz und muss daher regelmäßig die Verlängerung der Familienbeihilfe beantragen. Er ist Alleinerzieher und verdient als Reinigungskraft 1.200.-/Monat, die Miete macht €800.- aus. Die Familienbeihilfe ist existentiell wichtig für die Kinder. Nach jedem Verlängerungsantrag muss die Familie aber mindestens 3 Monate warten, bis der Antrag bearbeitet und das Geld überwiesen ist. In diesen drei Monaten müssen 3 Personen von €400.- die Kosten für Lebensmittel, Energie, Kleidung, Schule finanzieren, was ohne die Gefahr der Verschuldung nicht funktioniert.