Armutskonferenz zu OECD Studie: Investitionen zahlen sich aus. Kinderarmut bekämpfen und vermeiden.
Was wirklich hilft: Chancenindex einführen, Sozialhilfe reformieren, Therapielücke schließen
(23.11.23). „Die soziale Benachteiligung von Kindern zu bekämpfen, heißt die Therapielücke bei psychischen Problemen zu schließen, heißt einen Chancenindex für benachteiligte Schulstandorte einzuführen, heißt das unterste soziale Netz zu reformieren, damit Existenzsicherung, Chancen und Teilhabe für jedes Kind gesichert sind“, ruft das Netzwerk Armutskonferenz zu wirksamen Investitionen auf. Wir hoffen, dass das „Pilotprojekt 100 Schulen“ zu einem echten Chancenindex für alle führt. Das heißt „flächendeckend, evidence based, mit Schulentwicklung, und nicht beschämend. Diese Bildungsinvestition bräuchten wir jetzt besonders in Krisenzeiten - und sofort“, so die Armutskonferenz.
Würde es hierzulande bereits einen Chancenindex geben, befänden sich rund 17 % aller Pflichtschulen in Stufe 5 bis 7, also „hoher“ bis „sehr hoher“ Unterstützungsbedarf. Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Schulstandorte wäre in den sozial gut durchmischten Chancen-Index-Stufen 3 und 4. Das Pilotprojekt 100 Schulen kann nur einen geringen Anteil der Schulstandorte abdecken. Hundert teilnehmende Schulen bedeutet, dass nur jede elfte Pflichtschule mit großen Herausforderungen berücksichtigt wird. Und selbst wenn sich das Pilotprojekt nur an Volksschulen richten würde, könnte nur jeder vierte Volksschulstandort in Österreich teilnehmen.
Trendwende: voneinander lernen
Es gibt einige internationale Beispiele, die zeigen, wie Schulen an benachteiligten Standorten die Trendwende schaffen können. In einigen Schulen Londons, in Toronto, den Niederlanden, in Bildungseinrichtungen Hamburgs und Bremens machen Kinder gute Fortschritte. All diese Schulen zeigen, dass sie in schwierigen sozialen Verhältnissen gute Ergebnisse erreichen können. Das heißt, dass die Kinder deutliche Lernerfolge haben, in Bildungsvergleichen gut abschneiden und höhere Abschlüsse wagen. Was die Schulen gemeinsam haben: Sie kombinieren einen Chancenindex zur Finanzierung mit Schulentwicklung am Standort. In Toronto heißt der Chancenindex „Learning Opportunity Index (LOI)“. Wozu er dient, argumentieren die Kanadier so: „Die Schulen mit dem höchsten Wert haben die stärksten Herausforderungen zu bewältigen und brauchen daher die meiste Unterstützung“. Die Maßzahlen beziehen sich in Toronto auf das Familieneinkommen, Armut und formale Bildung der Eltern. Die Modellschulen sind in 8 Cluster gruppiert mit verantwortlichen Lehrern (lead teachers), Weiterbildung (learning classroom teacher) und Sozialarbeitern (community support worker). Der LOI wird alle zwei Jahre berechnet.
„Wir haben jede Schule aufgefordert, drei Punkte zu nennen, in denen sie wirklich gut ist – gut genug, um andere einzuladen“, sagen die Londoner Schulreformer der „London Challenge“. Man müsse auch die Tradition brechen, dass jeder Lehrer für sich alleine kämpft. Im Zentrum des Turnarounds stand die Qualität des Unterrichts, das Bilden von Lehrerteams, Ressourcen für pädagogischen Umbau und eine neue Haltung gegenüber den Kindern: „Wir trauen dir zu, dass du viel kannst."
70.000 Kinder in der schlechten Sozialhilfe
Wir dürfen die 70.000 Kinder in der gekürzten Sozialhilfe nicht vergessen. Geringere Richtsätze für Erwachsene mit Kindern, Abzug der Wohnbeihilfe und Kürzungen des Lebensunterhalts bringen Familien mit Kindern an den Rand. Kinder sind von Kürzungen gravierend betroffen und vielfach in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Das Sozialhilfegesetz ist mehr als sanierungsbedürftig. Die Abschaffung der Mindestsicherung und die Einführung der Sozialhilfe hat zu einer sozialen Verschlechterung bei allen geführt, die Hilfe benötigen. „Keinem Kind, keinem Menschen mit Behinderungen, keinem Niedriglohnbezieher geht es jetzt besser. Im Gegenteil“, berichtet die Armutskonferenz und fordert „eine neue Mindestsicherung, die Kindern Existenz , Chancen und Teilhabe sichert“.