Still & heimlich 1: „Reform“ der Wohnbeihilfe zur Wohnunterstützung in der Steiermark
Ohne jede Vorankündigung wurden Leistungen gekürzt und gestrichen
Ohne jede Vorankündigung und damit völlig überraschend für BezieherInnen wie soziale Organisationen hat die steirische Landesregierung im Sommer eine Neugestaltung der Wohnbeihilfe beschlossen. Unter dem Titel der Gerechtigkeit wurden die Anspruchsvoraussetzungen mit jenen der Mindestsicherung vereinheitlicht, sprich: EmpfängerInnen von Wohnunterstützung müssen nun ebenso arm sein wie Mindestsicherungs-BezieherInnen. Im Ergebnis fallen viele der bisherigen BezieherInnen teilweise oder gar zur Gänze um Leistungen um. Besonders stark betroffen sind Mindest-PensionistInnen und Menschen mit Beeinträchtigungen.
Die Wohnbeihilfe in der Steiermark war eine wichtige Unterstützung zur Deckung steigender Miet- und Wohnkosten, mit der einigermaßen sichergestellt werden konnte, dass ausreichend Einkommen zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfes verblieb. Schon bei vergangenen Änderungen war es zu einer deutlichen Reduktion des Leistungsniveaus gekommen. Die Umstellung von der Wohnbeihilfe zur neuen Wohnunterstützung mit 1.9. 2016 bringt nun einen regelrechten Kahlschlag. Bisherige Leistungen werden durchwegs erheblich gekürzt, eine große Anzahl an Personen wird überhaupt gänzlich aus dem Bezug dieser Leistung herausfallen.
Gerechter, Einfacher, Transparenter?!
Unter dem Titel „gerechter, einfacher und transparenter“ wurden die Leistungen der Wohnbeihilfe, des Wohnaufwandes in der Mindestsicherung (Anm: Zusatzleistung für das Wohnen in der steirischen Mindestsicherung) in der neuen Wohnunterstützung „zusammengeführt“. In Wahrheit erfolgt damit eine „Nivellierung nach unten“, Zugangsvoraussetzungen und Leistungsniveau der neuen Wohnunterstützung orientieren sich im Wesentlichen an der Mindestsicherung.
Schon die neue Regelung, die – wie in der Mindestsicherung – einen Bezug der Wohnunterstützung ausschließt, solange Ersparnisse über dem Freibetrag von derzeit € 4.188,80 vorhanden sind, bewirkt einen gänzlichen Entfall der Leistung bei einer großen Gruppe von bisherigen BezieherInnen.
Auch ein Einkommen über € 1.128 (= angeblich in Höhe, tatsächlich aber nur angelehnt an die EU-SILC-Armutsgrenze, 2015: 1.163 €) schließt eine Leistung nun gänzlich aus. Zusätzlich wird die Anrechnung von Einkünften deutlich verschärft. Blieben bei der Bemessung der Wohnbeihilfe eine Reihe von Einkünften, insbesondere Waisenpensionen und Leistungen der Behindertenhilfe, gänzlich außer Betracht, so werden diese nun wie in der Mindestsicherung voll angerechnet. Mit der Anrechnung des Grundbetrags der Familienbeihilfe wird sogar der Einkommensbegriff der steirischen Mindestsicherung noch unterschritten. Das trifft vor allem Menschen mit Behinderung, die diese Leistungen wegen fehlender Arbeitsfähigkeit dauerhaft beziehen (müssen).
Die Realität zeigt - es handelt sich um massive Kürzungen
Leistungszuerkennungen liegen noch keine vor, Leistungsvergleiche können derzeit nur über den Wohnunterstützungsrechner (unter www.soziales.steiermark.at/cms/beitrag/10363956/5361/) angestellt werden und stellen sich bei drei von uns betreuten Personen dar wie folgt:
Ein jetzt 69-jähriger Pensionist mit Ausgleichszulage (sog. „Mindestpensionist“) und Mietkosten von € 242,14 bezog im Jahr 2007 noch eine Wohnbeihilfe von € 152,30, im Jahr 2015/16 betrug die Leistung schon nur mehr € 99,08, nun hat er an künftiger Wohnunterstützung nur mehr € 43,10 zu erwarten.
Ein 45-jähriger Mann mit Behinderung, der bei Mietkosten von € 370,60 zu einer Unfallrente, einer Halbwaisenpension und Lebensunterhalt in der Behindertenhilfe von in Summe € 867,54 und erhöhter Familienbeihilfe wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit zuletzt noch eine Wohnbeihilfe von € 128,90 bezogen hatte, würde die Wohnunterstützung nur mehr € 54,15 betragen. Sie entfällt deshalb gänzlich, weil es auch Ersparnisse über dem Freibetrag gibt.
Bei einem 40-jährigen Mann mit Behinderung, der bei einer Miete von € 390,00 zu einer Waisenpension von € 397,59 und einem Einkommen aus geschützter Arbeit von € 783,66 noch eine Wohnbeihilfe von € 126,62 erhalten hatte, entfällt nun der Bezug einer Wohnunterstützung schon aufgrund der Höhe des Einkommens gänzlich.
Die Bezeichnung als „Wohnunterstützung“ und schöne Formulierungen im Informationsfolder, dass „Wohnen ein Grundbedürfnis ist und die Wohnunterstützung den Zugang zu Wohnraum für alle Menschen ermöglichen soll“, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier genau das Gegenteil passiert. Die neue Wohnunterstützung ist genau das alles nicht! Sie ist keine Leistung, die das Grundbedürfnis des Wohnens für alle zugänglich und leistbar macht, sondern sie reduziert die Leistung auf das Ziel und Niveau der Armutsbekämpfung. Politische Bemühungen, die Wohnkosten selbst zu senken, gegebenenfalls auf Kosten hoher Immobilienerträge, sind hingegen in keiner Weise wahrnehmbar.
Beitrag von Robert Müller - Vertretungsnetz Sachwalterschaft / Rechtsberatung Steiermark
Veröffenlticht am 30.9.2016