Zur aktuellen Debatte um die "Ein-Euro-Jobs"
Ein Kommentar von Judtih Pühringer (arbeit plus)
Ein paar Bemerkungen zur Debatte rund um die von Minister Kurz vorgeschlagenen Ein-Euro-Jobs: Leider werden in der Debatte unglaublich viele Themen vermischt. Ich finde es gut und wichtig, über die Themen Arbeitsmarktzugang, Solidarität und Integrationsförderung zu sprechen und offen zu diskutieren. Diese gesamte überaus komplexe Debatte am Wort Ein-Euro-Jobs festzumachen ist nicht nur populistisch zugespitzt, sondern ein klares Signal Richtung Hartz IV. Und zwar für alle, die schon lange einen Arbeitsplatz suchen.
Das Flüchtlingsthema war von Anfang eine gute Gelegenheit den sozialpolitischen Grundkonsens rund um das Thema Mindestsicherung schrittweise aufzuweichen. Es ist von Grundfragen nach Solidarität die Rede („Das ist ja den Menschen nicht zu erklären, das mit der Mindestsicherung“), von mangelnden Arbeitsanreizen („Warum sollten sie denn dann noch arbeiten gehen“), von der Frage nach der Leistung und schon sind wir wieder beim Bild der Langzeitarbeitslosen, die es sich angeblich gemeinsam mit den Flüchtlingen in den diversen Hängematten gemütlich machen.
Jetzt wird der Schlüsselbegriff der Hartz IV Debatte, die Ein-Euro-Jobs, als neue Idee für die Beschäftigungsverpflichtung von Asylberechtigten ins Spiel gebracht. Die Grundfrage lautet ja – abseits aller Polemik – ob Ein-Euro-Jobs integrationsfördernd sind oder nicht.
Für AsylwerberInnen, also Menschen, die keinen Arbeitsmarktzugang haben, können solche Jobs, wenn sie mit passenden Qualifizierungsmaßnahmen, Deutschkursen und anderen Bildungsthemen verknüpft sind, sehr wohl integrationsfördernd sein. Diese Möglichkeit gibt es aber bereits! AsylwerberInnen können schon jetzt zu einem Stundenlohn, der durchschnittlich 5 bis 8 Euro pro Stunde beträgt, bei Bund, Land oder Gemeinden freiwillige gemeinnützige Tätigkeiten annehmen und so bis zu einem Betrag von 110 Euro dazuverdienen.
Für alle anderen jedoch, also für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die einen prinzipiellen Arbeitsmarktzugang haben, sind Ein-Euro-Jobs mit Sicherheit eine Sackgasse. Dass hier permanent der zweite Arbeitsmarkt erwähnt wird ist aus meiner Sicht eine hochproblematische Vermischung: Am zweiten Arbeitsmarkt gibt es bisher vollversicherungspflichtige, kollektivvertragliche Beschäftigungsangebote mit dem Ziel der längerfristigen Integration in den Arbeitsmarkt. Hier gibt es keine Taschengelder und kein „So-tun-als-ob-wir-arbeiten“, sondern echte Arbeit, die auch so bezahlt wird. Wenn jetzt permanent im Rahmen der Debatte von Ein-Euro-Jobs im zweiten Arbeitsmarkt gesprochen wird, dann werden dreissig Jahre hochprofessionelle und erfolgreiche Integrationsarbeit von Sozialen Unternehmen (in denen diese Beschäftigung stattfindet) mit einem Schlag in Frage gestellt und auch in ihrer Logik (echte Arbeitsplätze, echte Arbeit, echte Bezahlung) ad absurdum geführt.
Der Ein-Euro-Job ist also so etwas wie ein doppelter Ettikettenschwindel: Es ist kein echter Job, der fair bezahlt wird und wo Steuern ins System zurückfliessen. Es ist auch keine echte Arbeit – in Deutschland heissen Ein-Euro-Jobs deswegen offiziell „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“.
Neben der Beschäftigung von AsylwerberInnen ist eine entscheidende Frage in diesem Zusammenhang, wie im Rahmen eines zweiten Arbeitsmarktes Jobs geschaffen werden können für jene, die gar nicht mehr oder nicht in kurzer Zeit in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Hier wartet die spannende Frage auf uns: Wie können solche Sozialen Unternehmen in Zukunft finanziert werden, um längerfristige Jobs anzubieten? Wie können auch Jobs bei Gemeinden so gestaltet werden, dass sie Menschen langfristig zur Verfügung stehen können? Welche Art von Aufträgen bekommen solche Unternehmen? Warum kann es nicht gerade hier Unternehmenskooperationen bei Aufträgen geben, die sonst ins Ausland ausgelagert werden würden?
Die Angebote der Sozialen Unternehmen sind eine um Äonen bessere Antwort auf die Arbeitsmarktintegrationsprobleme von anerkannten Flüchtlingen als Ein-Euro-Jobs. Eine weitere wichtige Rolle könnten Soziale Unternehmen aber auch bei der gemeinnützigen Beschäftigung von AsylwerberInnen spielen. In diesem Bereich haben sie jahrelang Erfahrung und könnten die Gemeinden auch dabei unterstützen, neue gemeinnützige Beschäftungsmöglichkeiten zu erschließen und mit den Sozialen Unternehmen auch tatsächlich anzubieten.
Last but not least halte ich es für geradezu absurd, eine Verpflichtung und nachfolgende Sanktionierung vorzuschlagen, wenn wir nicht einmal auf ein entsprechendes Angebot verweisen können. Die Idee des Freiwilligen Integrationsjahres (www.integrationsjahr.at) für Asylberechtigte gibt es schon länger. Die angebotenen Stellen und Plätze sind jedoch sehr spärlich.
Spannend wäre es meiner Meinung nach, in einer großen Offensive einmal die passenden Stellen und Jobs bei Gemeinden ausfindig zu machen und danach verschiedene Beschäftigungsmodelle anzubieten, die alle eines gemeinsam haben müssen: integrationsfördernd zu wirken, den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen und nachhaltig dafür zu sorgen, dass Menschen ihren Beitrag, den sie leisten wollen und auch leisten können, tatsächlich auch einbringen können.
Judith Pühringer ist Geschäftsführerin von arbeitplus - Soziale Unternehmen Österreich und Mitglied im Koordinationsteam der Armutskonferenz
Beitrag zuerst erschienen auf www.arbeitplus.at
Veröffentlicht am 25.08.2016