Du bist da verboten!
Über soziale Hotspots, Zäune und Verdrängung
In der Gesellschaft macht sich ein Gefühl breit: Der Raum, in dem wir uns frei und sicher bewegen können, wird enger. Woran liegt das? Stimmt das denn überhaupt?
Mehrere Wochen lang durfte ich das Redaktionsteam der Kupfermuckn begleiten. Wir haben miteinander diskutiert – über die vielen Situationen, in denen man sich unerwünscht fühlte oder gar vertrieben wurde. Über Orte, an denen frau nachts allein nicht mehr sein will. Über Fremde, die einem den Platz wegnehmen. Wir haben mit Verantwortlichen gesprochen – mit dem Linzer Bürgermeister und dem stellvertretenden Landespolizeikommandanten. Aber wir haben nicht nur diskutiert – wir wollten wissen, welche Orte für RollstuhlfahrerInnen nicht zugänglich sind (immer noch viel zu viele), welche Anstrengungen behinderten Menschen zugemutet werden. Wir wollten wissen, wo obdachlose Menschen noch Unterschlupf finden können. In diesem Text ein paar ganz grundsätzliche Gedanken zum Thema.
Wem gehört der öffentliche Raum?
Eine dumme Frage. Uns allen natürlich! Oder? Wir alle, das sind nicht nur halbwegs wohlhabende, privilegierte, hellhäutige Menschen (wie mich, die Autorin). »Alle« umfasst eben auch Drogensüchtige, Obdachlose oder Bettler. Der anhaltende Streit um den Hessenplatz ist das jüngste Beispiel dafür, wie schnell eine Debatte in einen Kampf umschlagen kann. Das Unwort vom »sozialen Hotspot« geht um; das klingt harmlos nach freiem Internetzugang, meint aber, dass an einem bestimmten Ort etwas ganz und gar nicht stimmt. Was tun mit einem Park, in dem offen gedealt und gesoffen wird, in dem sich Eltern und Kinder unwohl fühlen, in den auch die VerkäuferInnen der Kupfermuckn nicht mehr gern gehen, wo AnrainerInnen um den Wert ihrer Immobilien fürchten? Wo Boulevardmedien sich angesichts der würzigen »G´schicht« die Hände reiben? Wie immer bei einem komplizierten Problem, sind die einfachen Lösungen schnell bei der Hand: Zaun drum und basta!
Ein städtischer Park wird geschlossen - wie die Balkanroute?
»Vertreibung ist keine Lösung«, stellt Manfred gleich zu Beginn unserer ersten Gesprächsrunde fest. Das Redaktionsteam der Kupfermuckn hat Erfahrung damit, an den Rand der Stadt, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Wenn die Temperaturen fallen, wird es wieder schwer, Orte zu finden, an denen man sich unbehelligt aufwärmen kann. In den Einkaufszentren dauert es nur wenige Minuten, bis die Security die vertreibt, denen anzusehen ist, dass sie nicht zum Einkaufen hier sind. Die Möblierung des öffentlichen Raums wird absichtlich unbequem gestaltet, Toiletten öffnen nur noch gegen Gebühr. Für jene, die draußen schlafen, gibt es bald keine Nischen mehr, sie werden ganz an die Peripherie gedrängt.
Radler gegen Autofahrerinnen, Mütter gegen Raucher, Obdachlose gegen Flüchtlinge, Populisten gegen Roma, Anrainer gegen Drogensüchtige... Wird denn nun der Raum tatsächlich enger? Übernehmen drogendealende Messerstecher die öffentlichen Parks? Das Unsicherheitsgefühl steigt, obwohl die Kriminalitätsstatistik dafür sehr wenig Anlass gibt, wie Bürgermeister Klaus Luger und Landespolizeidirektor Erwin Fuchs bestätigen. Linz und andere Städte sind objektiv sehr sicher. Was Stadtregierung und Polizei jedoch auch bestätigen, ist das Bröckeln von Respekt und Solidarität. Der Ton wird auf alle Fälle rauer. Nicht überall regieren Bürgermeister, die wie Luger denken: »Verbote, Zäune, hartes Durchgreifen, Videoüberwachung schieben nur auf. Vertreibung verschiebt das Problem, vergrößert es mitunter durch Streuung.« Die Stadt Innsbruck etwa bekämpft »asoziales Verhalten«, das zu Recht nicht strafbar ist, mit Bettel-, Alkohol- und »Nächtigungs«-Verboten; bis zu 2.000 Euro Strafe drohen. Ausreichend Schlafstellen gibt es nicht, also schlafen die Vertriebenen ein paar Straßen weiter.
Der öffentliche Raum wird enger, weil die Sichtweise enger wird.
Wie ein autoritärer Vater soll der Staat eingreifen und strafen – aber nur bei den »sozialen Hotspots«, die Freiheiten der Vermögenden möge er ja nicht antasten, die Wirtschaft nur nicht durch Regelungen behindern. Denn geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut, oder? Leider nein, im Sozialsystem wird laufend gekürzt, während die Konjunktur brummt. Es ist nämlich nicht allein die strenge Zaun-Mentalität, die »soziale Hotspots« überhaupt erst entstehen lässt. Die größte Herausforderung ist, wie der Wohlstand in einem der reichsten Länder der Welt gerecht verteilt wird. Stattdessen wird die Mindestsicherung gekürzt, stattdessen schießen Neoliberale im Verbund mit Populisten den Sozialstaat sturmreif. Parolen gegen »Ausländer und Sozialschmarotzer« hetzen jene gegeneinander auf, die gemeinsam von der Teilhabe ausgeschlossen werden. Ein fatales Rezept für Unsicherheit und sozialen Unfrieden. Der öffentliche Raum wird enger, weil die Sichtweise enger wird. Wenn alle Fremden oder alle Trinker oder alle Junkies oder alle »Sandler« weg sind, wird die Welt wieder so heimelig... wie sie nie war.
Dominika Meindl
Zuerst erschienen in der Straßenzeitung "Kupfermuckn" in der Ausgabe Dezember 2017
Mit der Schriftstellerin Dominika Meindl engagierte die Kupfermuckn eine externe Leiterin für eine Schreibwerkstatt zum Thema »Öffentlicher Raum und Vertreibung«.
Veröffentlicht am 20.12.2017