Rechtliche Bewertung der Einmalzahlung aus der Arbeitslosenversicherung
Die Länder sind rechtlich verpflichtet ihre Gesetze so anzupassen, dass die Einmalzahlung für Arbeitslose auch bei Personen mit Mindestsicherungsbezug ankommt.
Die Bundesregierung hat eine Einmalzahlung für arbeitslose Personen in Aussicht gestellt (§ 66 AlVG) [1]. Diese soll helfen, die finanziellen Probleme, die die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie und der daraus resultierende Abschwung der Gesamtwirtschaft, abzufedern. Angesichts der derzeitigen Verfasstheit des Arbeitsmarkts und der im international Vergleich sehr niedrigen Sätze des Arbeitslosengeldes, sind die in Aussicht gestellten € 450 dringend gebraucht, um ein menschenwürdiges Dasein möglich zu machen. Aufgrund der im internationalen Vergleich relativ niedrigen Nettoersatzrate des österreichischen Arbeitslosengeldes liegt dieses vielfach unter dem Wert der Mindestsicherung/Sozialhilfe (derzeit rund 917 Euro für eine alleinstehende Person). Viele arbeitslose Personen beziehen daher als sogenannte „Aufstocker“ zusätzlich Mindestsicherung/Sozialhilfe.
Bei der Berechnung der Mindestsicherung bzw. der Sozialhilfe wird nahezu jedes Einkommen, egal aus welchem Titel dieses zufließt, angerechnet und daher oftmals von der Sozialleistung abgezogen. Ausnahmen gibt es etwa für Leistungen der Familienbeihilfe oder dann, wenn dieses der Deckung eines besonderen Bedarfs dient. Wird keine gesetzliche Ausnahmeregelung für diese Einmalzahlung geschaffen, würde diese also von der Mindestsicherung/Sozialhilfe abgezogen werden und bei den arbeitslosen Menschen mit geringen finanziellen Mitteln nicht ankommen. Das Ziel der Einmalzahlung würde damit klar verfehlt bzw. konterkariert.
Ziel der Sozialhilfe ist, armutsbetroffene und armutsgefährdete Personen finanziell zu unterstützen, um ihnen die soziale Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen und die menschenwürdige Existenz zu sichern. Ein wesentliches Element ist die Sicherung der Wohnung und die Delogierungsprävention. Für viele Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten ist die COVID-19 Pandemie zu einer existentiellen Bedrohung geworden, die die Grundlage für ein menschenwürdiges Dasein entzieht.
Grundlage für die Sozialhilfe ist seit 01.06.2019 das Grundsatzgesetz.[2] Laut § 7 Abs. 5 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes hat eine „Anrechnung von öffentlichen Mitteln insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen. (...)Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.“ [3] Die geplante Einmalzahlung gem. § 66 AlVG kann gem. den Erwägungen der Bundesregierung als ein solcher Sonderbedarf iSd § 7 Abs 5 SH-GG deklariert werden. Es liegt also an den jeweiligen Bundesländern, ihre Mindestsicherungs-/Sozialhilfegesetze um diese Ausnahme zu erweitern.
Die Länder sind bei Beachtung des Berücksichtigungsgebots dazu auch verfassungsrechtlich verpflichtet.[4]
Während die Notstandshilfe bzw das Arbeitslosengeld der Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts dient, hat der Bundesgesetzgeber die Einmalzahlung einem bestimmten Zweck („zusätzliche Maßnahmen zur Abfederung von sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise“) gewidmet. Der Landesgesetzgeber muss daher entsprechende Ausnahmebestimmungen normieren, um die Maßnahmen des Bundes, arbeitslose Personen bei der Bewältigung der Nachteile infolge der Covid-19 Krise zu unterstützen, nicht zu torpedieren.
Freilich, könnte auch der Bund durch einfach- und verfassungsgesetzliche Bestimmungen sicherstellen, dass das Geld bei den arbeitslosen Personen auch tatsächlich ankommt. So könnte beispielsweise normiert werden, dass der gem § 66 AlVG ausbezahlte Betrag nicht als Einkommen gilt und unpfändbar ist. Mit Hilfe einer Verfassungsbestimmung könnte dies auch in Bezug auf die Mindestsicherungs- und Sozialhilfegesetze bzw sonstige landesgesetzliche Regelungen festgelegt werden.
Eines zeigt sich klar: Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat den Stresstest nicht bestanden – eine Überholung unter Einbindung von Expert*innen ist unausweichlich.
Susanna Paulweber, Marianne Schulze, Ilse Zapletal (SozialRechtsNetz)
Veröffentlicht am 26.06.2020
Fußnoten / Anmerkungen
[1] Entwurf und Erläuterungen: https://www.ris.bka.gv.at ; Ende der Begutachtungsfrist ist der 26. Juni 2020.
[2] Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), BGBl. I 2017/41 idF BGBl I 2019/108
[3] § 7 Abs 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz lautet: Eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln hat insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs des Bezugsberechtigten gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.
[4] VfGH 26.11.2014, V75/2014 ua.