Finanzbildung schützt Frauen nicht vor Altersarmut!
Dass Frauen weniger wirtschaften können als Männer, lässt sich in keiner Weise belegen. Im Gegenteil.
Kommentar zum Thema „Finanzbildung“ einer Kooperation zwischen Bundesministerium für Finanzen und Kurier
Am 23. Mai war im Kurier in der Serie Finanzwissen, einer Kooperation mit dem Bundesministerium für Finanzen zu lesen, dass das Thema Altersarmut von Frauen auf deren mangelndes Finanzwissen zurückzuführen sei. In dem Artikel werden einige Aspekte falsch dargestellt und die tatsächlichen Ursachen von Frauenarmut verschwiegen.
Es wird zwar richtig angeführt, dass die Ehe als Altersvorsorge ausgedient hat und dass die Errungenschaften von Teilzeitarbeit und Karenzzeiten dazu führen, dass trotz durchgängiger Berufstätigkeit von Frauen ihr daraus resultierendes niedrigeres Einkommen zu einer geringen Pension und zu Altersarmut führen. Wie eine bessere finanzielle Bildung von Frauen daran etwas ändern soll, ist allerdings nicht schlüssig nachvollziehbar.
Denn wenn man bzw. besser frau nichts zu veranlagen hat, hilft auch das beste Finanzwissen nichts. Solange die unbezahlte Versorgungs- und Sorgearbeit noch immer vorwiegend Frauenarbeit ist, wird sich an den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen nichts ändern.
Solange es die Normalarbeitszeit nicht zulässt, dass sich Frauen und Männer die uns alle am Leben erhaltende Care-Arbeit teilen können, hilft das beste Finanzwissen nichts.
Solange es keine politischen Rahmenbedingungen für volle Berufstätigkeit von Eltern und pflegenden Angehörigen gibt, bleibt die Verantwortung dafür vorwiegend bei den Frauen.
Solange auch die bezahlte Care-Arbeit nicht ihrer Belastung entsprechend abgegolten wird, ist Altersarmut der Preis dafür, dass vorwiegend Frauen jene Arbeiten verrichten, die die Grundlage allen Wirtschaftens sind und die die Grundlage einer lebenswerten Gesellschaft sind.
Ökonomisches Verständnis das uns ermächtigt zukunfsfähig zu wirtschaften
Gerade in der derzeitigen weitreichenden Krise müssen nötige Weichen für die Zukunft gestellt werden., Dafür braucht es kein spezielles enggeführtes Finanzwissen für Frauen, sondern ein breites ökonomisches Verständnis für Frauen und Männer, das sie ermächtigt, zukunftsfähig zu wirtschaften. Dazu haben vor allem feministische Ökonominnen seit Jahrzehnten geforscht. Diese Forschungsergebnisse sollte man in Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen nutzbar machen.
Dass Frauen weniger wirtschaften können als Männer, lässt sich nämlich in keiner Weise belegen. Im Gegenteil. Sie sind zumeist für die Alltagsökonomie, der Versorgung mit dem Lebensnotwendigen, zuständig, die ja, wie die Pandemie wieder einmal gezeigt hat, die tragende Säule in Krisenzeiten ist. Frauen sind allerdings in Gelddingen weniger risikofreudig, verschulden sich weniger leichtfertig und sind, was undurchsichtige Finanzprodukte betrifft, vorsichtiger. Ihnen deshalb weniger Wissen als den Männern zu unterstellen, ist gewagt. War doch die Finanzkrise 2008 mit all ihren Verantwortungslosigkeiten überwiegend eine Angelegenheit von Männern, die das System nicht durchschaut, aber dennoch investiert haben. Dass Wirecard an den Börsen höher notierte als die Deutsche Bank, wirft auch kein überzeugendes Licht auf die ach so gebildeten Finanzprofis.
Die Bereichsleiterin der Wertpapieraufsicht der Finanzaufsicht sagt es ganz richtig: Frauen haben weniger „Selbstvertrauen“ um sich am Finanzmarkt zu engagieren, sie sind aber auch seltener Opfer von Anlagebetrügereien, ja sie springen in die Presche wenn Männer und Söhne Opfer solcher Betrüger werden. Dennoch sieht sie mangelnde Finanzbildung als Ursache von Frauenarmut und spricht sich für ein eigenes Fach Finanzbildung in den Lehrplänen aus.
Verantwortungsvoller Umgang mit Geld
Dem verantwortungsvollen Umgang mit Geld stehen nämlich andere, viel wirksamere Meinungsbildner gegenüber. Den Heilsversprechen der Werbung, z.B. für Glücksspiel, auch im öffentlich rechtlichen Rundfunk kann nur mittels Bildung Paroli geboten werden. Aber ist das im Interesse derer, die Finanzbildung propagieren?
Verantwortungsvolles Wirtschaften gehört zu den Grundfertigkeiten, die wir alle brauchen. Was Aktien sind, was Anleihen, wie das BIP berechnet wird, wie ich meine Steuererklärung mache und dass weder das Handy gratis ist, noch die Bank mir was schenkt, darüber sollten wir Bescheid wissen. Was wir nicht brauchen, ist von ökonomischen Zusammenhängen abgelöstes Wissen über gefinkelte „Finanzprodukte“ und das Einüben in Börsenspekulation, wie es manche von Banken finanzierte Computer-Programme für Schulen vermitteln.
Auch wir sind der Meinung, dass sich Menschen in Gelddingen auskennen sollen. Dazu braucht es aber kein eigenes Schulfach, das sollte fächerübergreifend von Mathematik über Wirtschaftskunde bis Deutsch thematisiert werden. Das ist schulisch auch eine Frage des Philosophie- und Ethikunterrichts. Und es ist eine Frage der sozialen Praxis und des sozialen Alltags in der Jugendarbeit, Sozialberatung, Delogierungsprävention oder Schuldenberatung. Finanzbildung soll Personen im Wissen und in Zusammenhängen stärken und kritisch reflexiv den Finanzsektor besprechen. Und nicht Banken & Privatversicherungen ermöglichen, in Schulen oder bei Kindern ihre Produkte zu verkaufen oder zu bewerben. Oder gar sozialstaatliche Sicherungssysteme zu delegitimieren. Auch Erwachsenenbildungsorganisationen sollten mehr Mittel in die Hand gegeben werden, damit sie verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge zu einem Schwerpunkt ihrer Programme machen können. Das heißt in jedem Fall Konsumentenschutz, volkswirtschaftliche Bildung, ökonomische Alphabetisierung. Bildung braucht unabhängige Institutionen.
Die Arbeitsgruppe „Frauen & Armut“ der Armutskonferenz
veröffentlicht am 16.06.2021