Menschenrecht auf Wohnen in der Verfassung
Höchstgericht in Mexiko pocht auf Erfassung von Obdachlosen bei Volkszählung
Soziale Menschenrechte in der Verfassung binden die Verwaltung an andere Maßstäbe. So zum Beispiel das Nationale Statistik Institut in Mexiko, wo letztes Jahr das Mexikanische Höchstgericht entschied, dass das Recht auf Wohnen die notwendigen Maßnahmen:
- zur Verhinderung von Obdachlosigkeit,
- zum Verbot von Zwangsräumungen,
- zur Bekämpfung von Diskriminierung,
- zur Konzentration auf die am stärksten gefährdeten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen und
- zur Gewährleistung der Mietsicherheit umfasst.
Die in Mexiko durchaus verbreiteten informelle Siedlungen müssen daher statistisch erfasst werden, weil 1) viele Bewohner:innen keinen sicheren Besitz an den Grundstücken oder Häusern haben; 2) es in den Vierteln oft an grundlegenden Dienstleistungen und städtischer Infrastruktur fehlt; und 3) die Häuser möglicherweise nicht den Planungs- und Bauvorschriften entsprechen und oft in geografisch und ökologisch gefährlichen Gebieten liegen.
Recht auf angemessen Wohnraum
Der Beschwerdeführer, Un Techo para mi País México (Techo), behauptete, dass das Nationale Institut für Statistik und Geographie es versäumt habe, Volkszählungsdaten für informelle Siedlungen zu erheben. Laut Techo führte dieses Versäumnis dazu, dass der Staat das Recht auf angemessenen Wohnraum nicht verwirklichte, da die Politik des Staates von den statistischen Daten der Volkszählung abhängt.
Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass das Nationale Institut für Statistik statistische, geografische, geeignete, sachdienliche und wirksame Informationen erstellen muss.
Zu dieser Verantwortung gehört auch die Verbreitung solcher Informationen in einer Weise, die es ermöglicht, die Ergebnisse von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu bewerten, um die notwendigen Elemente zur Bewertung von Haushaltszuweisungen und Programmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen bereitzustellen.
Nach Ansicht von Techo ist es inakzeptabel, dass das Nationale Institut für Statistik seine Aufgaben im Rahmen der Volkszählung nicht in einer Weise erfüllt hat, die genau aufzeigt, wie groß die Gefährdung von Ausgrenzung ist. Laut Techo sind diese Informationen über informelle Siedlungen ein Minimum, um die Verwirklichung des Rechts auf angemessenen Wohnraum voranzutreiben.
Wirtschaftsliche, soziale und kulturelle Rechte als Grundlage
In seiner Entscheidung verwarf das Gericht zunächst die im Laufe des Rechtsstreits aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Hürden. Dabei berief sich das Gericht unter anderem auf "die unmittelbare Wirksamkeit der Menschenrechte, da ihre Justiziabilität nicht von der Entscheidung des Staates abhängt, [sie] zu aktivieren, was die Möglichkeit impliziert, die Einhaltung dieser Handlungspflichten über gerichtliche Schutzmechanismen einzufordern...".
In seinen Erläuterungen zur Begründetheit zitierte das Gericht den Allgemeinen Kommentar 3 des UN Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen und dessen Vorgaben zum Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, als es erklärte, dass "die Judikative als Teil des Staates auch verpflichtet ist, durch die Lösung von Fällen die Einhaltung von Pflichten aufzuerlegen, durch die eine größere Wirksamkeit von Rechten, wie in diesem Fall das Recht auf Wohnung, erreicht wird."
Das Gericht betonte weiters, dass Volks- und Wohnungszählungen die vollständigsten Quellen für statistische Informationen sind, auf die man sich stützen kann, um die Realität des Landes zu verstehen, da sie gefährdete Gruppen und die Bedürfnisse der Menschen identifizieren, die wichtig sind, um Pläne und Programme zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu erstellen.
Zur Einordnung
In Österreich fehlt das Recht auf Wohnen in der Verfassung. Das Regierungsprogramm 2020-2024 sieht eine Erweiterung des Grundrechtskatalogs vor, da in Österreich vergleichsweise wenige Grundrechte verfassungsrechtlich verankert sind. Eine Erweiterung sollte das Recht auf Wohnen inkludieren, wie auch im Entwurf der Armutskonferenz vorgesehen.
Marianne Schulze, SozialRechtsNetz
Veröffentlicht am 10.12.2021