Mindestsicherungs-Reform in NÖ: Überfallsartig weitere soziale Härten für Armutsbetroffene eingebaut
Kein Begutachtungs-Verfahren, kurzfristige Anträge im Sozialausschuss: Mehr Demokratie bei Grundrechtsfragen notwendig
(15.11.2016) Demokratie sieht anders aus. Besonders bei Grundrechtsfragen. Nicht bloß, dass es zu den drastischen Verschlechterungen im NÖ Mindestsicherungsrecht keinerlei Begutachtungsverfahren gegeben hat, dass es Betroffenen wie Bürgern erlaubt hätte, zu den geplanten Vorhaben Stellung zu nehmen. Wie die Armutskonferenz aufgezeigt hat, führt unter anderem die geplante 1.500-€-Deckelung zu einschneidenden Verlusten bei einer Vielzahl von Haushalten, ua. bei Haushalten von Menschen mit Beeinträchtigung.
Wie schon bei sozialpolitischen Verschlechterungen der Vergangenheit hat sich die ÖVP NÖ zentrale Einschnitte für Anträge im Sozialausschuss aufgehoben. Der strategische Vorteil: Durch die kurze Zeitspanne zwischen Sozialausschuss und beschlussfassender Sitzung des Landtages hat es eine kritische Öffentlichkeit schwer, die Vorhaben überhaupt wahr zu nehmen und öffentlichkeitswirksam zum Thema zu machen.
Der ursprüngliche Antrag der ÖVP NÖ ist am 10.11.2016 durch den Sozialausschuss gegangen. Es hätte dort die Möglichkeit bestanden, zumindest die größten sozialen Härten zurückzunehmen. Das ist aber nicht passiert. Im Gegenteil: es wurde ein weiterer Antrag des ÖVP NÖ angenommen, der zusätzlichen sozialen Sprengstoff vorsieht. Zusätzlich zur 1.500-€-Deckelung je Haushalt und geringeren Leistungen für Asylberechtigte sieht der Gesetzes-Entwurf nun auch die Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit vor, wenn es zeitgleich keine AMS-Angebote gibt, die von den Betroffenen besucht werden müssen.
„Für diese Tätigkeiten sind im Gesetz nicht einmal Aufwandsentschädigungen vorgesehen, von einer Anstellung als Transit-Arbeitskraft, wie im Bereich AMS-geförderter Projekte üblich, ganz zu schweigen. Ein Großteil der erwerbslosen BMS-BezieherInnen leidet außerdem unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die bei AMS-Vermittlungen berücksichtigt werden müssen. Völlig ungeklärt ist, wie sichergestellt werden soll, dass im Rahmen der geplanten gemeinnützigen Arbeit in NÖ nur Tätigkeiten zugewiesen werden, die im Einzelfall auch tatsächlich zumutbar sind. Das ist auch deshalb wichtig, weil es bei Ablehnungen bzw. Beendigungen zu Sanktionen kommt. Arbeitgeber sollen neben dem Land NÖ die Gemeinden sein – sollen die Bürgermeister entscheiden, wer arbeitsfähig ist und wer nicht? Mehr als fraglich ist aus Sicht der Armutskonferenz auch, wie weit das Gebot, dass durch die Gemeinnützigkeit keine regulären Jobs wegfallen dürfen, eingehalten werden wird. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass derartige hehren Absichten in der Praxis nicht halten. “
Asyl heißt das Motto, gestrichen wird dann bei allen
Was die Kürzungen für Haushalte von Menschen mit Behinderungen angeht, bleibt die Armutskonferenz bei ihrer Kritik: „Die Formulierungen im Gesetzesentwurf sind völlig eindeutig, da ist kein Raum für Missverständnisse. Es wird keine erhöhte Freigrenze für Haushalte von Menschen mit Behinderungen geben.“
Die 1.500-€-Deckelung wird auch für die Haushalte gelten, in denen Menschen mit Behinderungen leben. Logisch gedacht heißt das nichts anderes, als dass bei ihren Angehörigen umso mehr gespart werden muss. So also bedankt sich das Land NÖ bei pflegenden Angehörigen.
Für empfindliche Kürzungen braucht es auch keine großen Familien. 3-Personen-Haushalte reichen völlig aus. Im von uns nachgerechneten Bespiel eines erwachsenen Mannes mit Behinderungen, der mit seiner ihn pflegenden Mutter und seinem aus gesundheitlichen Gründen gekündigten Vater zusammen lebt, sind es 189 € pro Monat.
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Details im Faktencheck
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