Arbeit

Arbeit gerecht verteilen

Working Poor

Bei einem Vergleich der Arbeitslosenraten innerhalb der Europäischen Union entsteht leicht der Eindruck, dass sich Österreich in einer glücklichen Position befindet. Tatsächlich konnte Österreich in den vergangenen Jahren (seit 2010) jeweils die niedrigste Arbeitslosenrate innerhalb der Europäischen Union vorweisen. Doch ein kurzer Blick genügt, um bestehenden Reformbedarf im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sowie bei der Verteilung von Arbeit aufzudecken.

Die Zahl der Menschen ohne Erwerbsarbeit (Jänner 2014: 369.837 vorgemerkte Arbeitslose sowie 79.831 SchulungsteilnehmerInnen (AMS)) oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen steigt schon seit Jahren an. Viele dieser Menschen sind armutsgefährdet oder leben in Armut. Erwerbstätigkeit ist ein wesentlicher Faktor in der Vermeidung bzw. Bekämpfung von Armut. Ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht es einerseits, der „Armutsfalle“ zu entkommen, andererseits schafft es wesentliche Voraussetzungen zur Vermeidung von Armut. Die Teilhabe am Erwerbsleben mit existenzsicherndem Einkommen gilt daher als eine der wichtigsten Säulen zur Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Doch auch Erwerbsarbeit ist keine Garantie für ein ausreichendes Einkommen mehr: 2011 lebten in Österreich 431.000 (BMASK) erwerbstätige Menschen von einem Haushaltseinkommen, welches unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt („Working Poor“). Mit Blick auf die Zunahme von unsicheren, prekären und schlecht bezahlten Arbeitsplätzen reicht daher ein Fokus auf die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht mehr aus: Österreich braucht vor allem mehr sinnstiftende und existenzsichernde Arbeitsplätze. Parallel zu diesem Mangel an existenzsichernder Arbeit klagen viele Menschen an Überlastung und Burnout. Jede Woche werden in Österreich rund 5,8 Millionen (bezahlte und unbezahlte) Überstunden geleistet (Statistik Austria).

Eine qualitätsvolle Arbeitsmarktpolitik muss dafür sorgen, dass es genügend Erwerbsarbeitsplätze für alle Menschen im erwerbsfähigen Alter gibt. Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung der UnternehmerInnen, dass qualitätsvolle Arbeitsplätze zu einer fairen und gerechten Entlohnung angeboten werden können. Diese soziale Verantwortung von Unternehmen muss durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen gefördert und garantiert werden.

Mit einigen wichtigen Reformen könnten zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen werden: Schätzungen besagen, dass mindestens ein Drittel der in Österreich geleisteten Überstunden beschäftigungswirksam sind und damit das Potenzial für die Schaffung von rund 60.000 neuen Vollzeitarbeitsplätzen besteht. Ein weiterer Schritt zu einer gerechteren Verteilung geleisteten Arbeitsstunden wäre eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden. Dies müsste natürlich mit einem vollständigen Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen einhergehen. Laut einer Studie des WIFO könnten so rund 50.000 weitere Arbeitsplätze geschaffen werden.

Eine solche Neuverteilung der Erwerbsarbeit wäre nicht nur ein wichtiger Baustein für eine gerechtere Verteilung von unbezahlter Pflege- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen, sondern würde auch den nötigen Freiraum für ein verstärktes zivilgesellschaftliches Engagement oder Arbeit an sich selbst schaffen.

Zentrale Forderungen

  • Ermöglichung der nachhaltigen Teilhabe am Erwerbsleben durch die Förderung eines Angebotes an sinnstiftenden und existenzsichernden Arbeitsplätzen, welche den individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Interessen sowie der persönlichen Leistungsfähigkeit der betroffenen Menschen entspricht.
  • Gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit: Anreize zur Reduktion von Überstunden und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, generelle Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden.
  • Finanzielle Absicherung sicherstellen für Menschen in prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen, für ältere Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen (IP-Neu), aber auch während der Pension (Anrechnung von Pflege- und Sorgearbeit).
  • Neue Arbeitsplätze schaffen durch eine Entlastung des Faktors Arbeit für niedrige und mittlere Einkommen.
  • Ausbau eines erweiterten Arbeitsmarktes als Unterstützung für langzeitarbeitslose Menschen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, aber auch mit dauerhaft(er)en Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen, die vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind.

Weitere Informationen

Sozialpolitische Datenbank "Alles über und gegen Armut": Kartegorie Arbeit

Link 10. Armutskonferenz Dörre; Link Publikationen